Er steht noch nicht am Zenit seiner Karriere, darüber sind sich Tennis-Experten einig. Doch vier ATP-Titel 2016, darunter der erste Rasen-Triumph eines Österreichers überhaupt, ein sensationeller Lauf bis ins French-Open-Halbfinale und das Erreichen der Top Ten haben die Basis gelegt. Dominic Thiem spielt ab Sonntag im Konzert der ganz Großen bei den ATP-Finals in London.
Für den auch auf der ATP-Tour wegen seiner Bescheidenheit, seiner guten Manieren und seiner Freundlichkeit allseits beliebten Niederösterreicher ist es die vorläufige sportliche "Krönung" nach seinem bisher besten Profijahr. Denn bei den ATP-Finals in der Londoner O2-Arena, dem großen Showdown der besten Tennis-Profis, dürfen nur die acht besten Spieler des Jahres antreten.
Thiem kann in Musters Fußstapfen treten
Auch wenn Vergleiche mit dem großen Thomas Muster für manche noch verfrüht erscheinen: Der mittlerweile insgesamt siebenfache Turniersieger, dessen bisher bestes ATP-Ranking Rang sieben war, hat das Werkzeug, die Liebe zum Sport, die Einstellung und den auch nötigen Familien-Rückhalt, um die großen Fußstapfen des 44-fachen Turniersiegers, French-Open-Champions und Ex-Weltranglisten-Ersten Muster zu füllen.
Sein "Lebenscoach" Günter Bresnik arbeitet seit dem achten Lebensjahr mit Thiem, dessen Eltern Wolfgang und Karin nicht nur selbst Tennis-Lehrer sind, sondern dem Startrainer Bresnik schon früh das bedingungslose Vertrauen schenkten. Bresnik formte aus dem Rohdiamanten Thiem, der schon in frühen Tagen die Jugend-Szene dominiert hatte, einen sportlichen Edelstein, der nicht nur Österreichs Tennis-Fans noch lange Freude bereiten wird.
Bresniks Blick war in die Zukunft gerichtet
Dabei war es nicht immer einfach für Thiem: Besonders als Bresnik dem damals erfolgsverwöhnten, zwölfjährigen Thiem die beidhändige Rückhand abgewöhnte. Bresnik wusste aber, dass Thiem weder mit diesem "B-Hander", noch mit dessen viel zu passivem Spielstil dorthin kommen würde, wo er hinwill. Plötzlich, als Bresnik dem Schützling die zweite Hand vom Schläger weggenommen hatte, verlor Thiem reihenweise Matches. Die Trainer-Szene schüttelte den Kopf, wie Bresnik u.a. auch in seinem Buch "Die Dominic Thiem Methode" eindrucksvoll beschreibt, doch der Blick war in die Zukunft gerichtet.
"Der Bursche hat mich kein einziges Mal gefragt, wann das Training vorbei ist", erinnert sich Bresnik zurück. Diese Einstellung Thiems zu seinem Sport, aber auch der gewaltige finanzielle und zeitliche Einsatz der gesamten Familie Thiem war und ist für Bresnik ein wichtiger Grundpfeiler für den Erfolg. Bresnik nahm sogar abseits des Courts Einfluss auf die Erziehung Thiems, dessen Eltern auch dies zuließen.
Der Physiotherapeut
Mittlerweile ist Thiem nicht nur in der Weltspitze angelangt - er gilt auch als einer der ästhetischsten Spieler auf der Tour. Seine einhändige Rückhand schlägt er wie aus dem Bilderbuch, seine Vorhand erreicht Drallgeschwindigkeiten, die auch die Besten in Bedrängnis bringen, und auch der Aufschlag kommt von den Geschwindigkeiten her in Topbereiche.
Mit der Verpflichtung des angesehenen Physiotherapeuten Alex Stober Ende 2015 ist Bresnik ein weiterer Coup gelungen, ein wichtiger Mosaikstein für Thiems weitere Karriere. Stober ist nicht nur in der Vorbereitung, sondern auch für die kurzfristige Regeneration während großer Turniere Gold wert. Im Juni dieses Jahres beschrieb die "New York Times" Thiem als "härtesten Arbeiter im Tennis", und dies nicht nur, weil der 23-jährige Lichtenwörther so viele Turniere spielt, wie sonst keiner aus den Top Ten. Noch ist Thiem auch der jüngste Spieler in diesem Kreis.
Die großen Vorschuss-Lorbeeren, die es von Legenden wie John McEnroe und vielen weiteren Prominenten auf Österreichs Tennis-Star schon vor Jahren "regnete", haben sich schon jetzt erfüllt. Bleibt Thiem gesund, dann kann er einer der größten Stars im rot-weiß-roten Sport überhaupt werden. Das Potenzial, den Arbeitswillen und das nötige Umfeld hat Thiem.