Stan Wawrinka hat auch sein drittes Tennis-Grand-Slam-Finale gewonnen. Mit einem 6:7(1),6:4,7:5,6:3-Erfolg in einem knapp vierstündigen Abnützungskampf gegen den Weltranglistenersten Novak Djokovic aus Serbien triumphierte der 31-jährige Schweizer erstmals bei den US Open in New York. "Ich habe mich gequält wie noch nie", gestand Wawrinka nach dem Match.

Erst nach dem Matchball - nach 3 Stunden und 55 Minuten - erlaubte er es sich, eine Schwäche zu zeigen. Plötzlich zeigte Wawrinka, der zuvor so bärenstark gewirkt hatte, dass er am Ende seiner Kräfte war. Er hatte den Titelverteidiger niedergerungen, weil er entschlossener, mutiger und physisch stärker war. Sogar für einen ausgelassenen Jubel war er zu müde. Fast schon quälend langsam stieg der Triumphator die Treppen hoch, um in der Spielerbox seine Liebsten - erst Coach Magnus Norman, dann Freundin Donna Vekic, seine Schwestern und Eltern - zu umarmen.

Es war eine Gewaltleistung nötig, damit Wawrinka seine perfekte Bilanz in Grand-Slam-Endspielen wahrte und nach den Australian Open 2014 in Melbourne und den French Open 2015 in Paris zum dritten Mal eine der vier großen Trophäen des Welttennis in Empfang nehmen durfte. "Es ist ein Wahnsinn. Ich hatte vor dem Finale schon so viel Zeit auf dem Platz verbracht, und ich wusste, dass dies gegen Djokovic ein wirklich harter Kampf wird. Nicht nur in Sachen Tennis, auch physisch und mental. Ich ließ in den letzten zwei Wochen alles auf dem Platz, nach dem Spiel war ich völlig leer", gestand Wawrinka nach seinem Triumph.

Djokovic, der auf dem Weg ins Finale mit knapp neun Stunden nur die Hälfte der Zeit von Wawrinka benötigt hatte, erwischte zunächst den besseren Start. Zwar holte Wawrinka einen 1:4-Rückstand auf, doch im Tiebreak setzte sich der Serbe dann klar 7:1 durch. Wawrinka ließ sich davon aber nicht beirren, schaffte den Satzausgleich und sorgte im dritten Durchgang für die Vorentscheidung: Nachdem er einen 3:0-Vorsprung aus der Hand gegeben hatte, gelang ihm mit einer knallharten Vorhand das Break zum 7:5.

Danach war Djokovic, der in nun sieben US-Open-Endspielen lediglich 2011 und 2015 triumphierte, deutlich angezählt. Er nahm sich noch zwei medizinische Auszeiten, um einen blutenden Zeh behandeln zu lassen, doch Wawrinka ließ sich nicht mehr vom Weg abbringen. Beim zweiten Matchball unterlief Djokovic ein Rückhand-Fehler. Der Schweizer hatte nicht wie bei den French Open 2015 mit spielerischer Brillanz gewonnen, sondern vor allem dank Ausdauer und Nervenstärke.

Miutiger bei Breakbällen

Während Djokovic lediglich drei von insgesamt 17 Breakchancen nutzte, machte Wawrinka aus seinen zehn Möglichkeiten sechs Punkte. "Er war bei den Breakbällen mutiger als ich", gestand der Serbe nach dem Match. Und so endete ein Abend, der für Wawrinka mit Tränen begonnen hatte, im schweißgebadeten Jubel.

Nach dem Spiel machte der Sieger nämlich ein verblüffendes Geständnis. "Vier oder fünf Minuten vor Matchbeginn, während der letzten Besprechung mit Magnus liefen mir plötzlich die Tränen herunter." Er sei unheimlich nervös gewesen und habe den Druck gespürt, dieses Finale unbedingt gewinnen zu wollen. Dabei war er mit geringen Erwartungen nach New York gekommen, nachdem er seine Teilnahme an den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro wegen Rückenschmerzen hatte absagen müssen. In der Woche vor dem Turnier habe er aber eine seiner besten Trainingswochen überhaupt gehabt.

Dennoch musste er sich von Spiel zu Spiel steigern. Wawrinka gewann als erster Spieler seit Djokovic 2011 die US Open, nachdem er einen Matchball hatte abwehren müssen - in der dritten Runde gegen den Engländer Daniel Evans. "Es braucht immer auch ein wenig Glück", stellte er fest. Vor allem aber brauchte es die richtige Einstellung und die nötige Fitness bei meist großer Hitze und Luftfeuchtigkeit im "Big Apple".

Extremes Leiden

"Ich habe gegen Del Potro, Nishikori und Djokovic extrem leiden müssen", erinnerte Wawrinka noch einmal an seinen schweren Weg zum dritten Major-Titel. Er habe seine Grenzen, zu was er körperlich fähig sei, nach oben verschoben. Und vor allem: Wawrinka zeigte seinen Gegnern in keiner Phase, wie sehr er litt. "Heute versuchte ich, hart zu mir selber zu sein. Ihm nichts zu zeigen, keine Zeichen des Schmerzes. Ich litt sehr, aber ich bin stolz auf das, was ich erreicht habe", betonte der 31-Jährige nach seinem Sieg über Djokovic.

Verblüffend ist die Fähigkeit des Mannes aus Lausanne, auf den Punkt genau bereit zu sein. Trotz der Nervosität vor dem Endspiel. Erst dreimal hat er in seiner Karriere eine Nummer eins der Welt bezwungen - und zwar in seinen drei Grand-Slam-Endspielen (Nadal in Melbourne, Djokovic in Paris und in New York). Zudem gewann er in New York, wo er der älteste Sieger seit Ken Rosewall 1970 ist, sein elftes Endspiel in Serie. Als Lohn für diesen Kraftakt kassierte Wawrinka 3,5 Millionen Dollar Preisgeld (3,11 Mio. Euro).