Nirgends ist für ihn die Chance auf den 18. großen Titel besser als an der Church Road im Südwesten der englischen Hauptstadt. Rasen und Federer - diese Kombination passt nach wie vor. Auf der grünen Unterlage thront Federer mit seinen Erfolgen weit über dem Rest, die Altersuhr tickt jedoch unerbittlich. Viele Chancen erhält der Basler nicht mehr, um als erster Spieler das wichtigste Turnier zum achten Mal zu gewinnen.

Im Moment teilt er sich diesen Rekord mit dem Briten William Renshaw (sieben Titel zwischen 1881 und 1889) und dem US-Amerikaner Pete Sampras (zwischen 1993 und 2000). Die Viertelfinal-Niederlage in Paris gegen seinen Landsmann Stan Wawrinka war schnell abgehakt. "Wimbledon ist mein großes Ziel. Ich will dort gewinnen", betonte Federer nur wenige Minuten nach dem Ausscheiden in Paris.

Es sind keine leeren Worte. In Wimbledon zählt für ihn nur der Sieg. Er spürt, dass er diesen Triumph noch "in sich hat" - erst recht, nachdem im vergangenen Jahr wohl nur ein Punkt dafür gefehlt hat. Der Schweizer kam im fünften Satz des Finales gegen Novak Djokovic beim Stand von 3:3 zu einem Breakball. Der Serbe wehrte ihn ab und gewann den Entscheidungssatz 6:4.

Die Vorbereitung der beiden Top-Favoriten könnte unterschiedlicher kaum gewesen sein. Während Federer in Halle mit seinem dort achten Titel schon einmal das schaffte, was er in Wimbledon anstrebt, verzichtete Djokovic wie immer in den vergangenen fünf Jahren auf ein Vorbereitungsturnier auf Rasen.

Der Weltranglisten-Erste kann sich das leisten, denn die Ergebnisse bei seinen vier vergangenen Auftritten in Wimbledon sprechen für sich: zwei Titel (2011, 2014), ein Finale (2013, Niederlage gegen Andy Murray/GBR) und ein Halbfinale (2012, Niederlage gegen Federer). Federer wiederum überzeugte in Halle mit dem Service und seiner Nervenstärke, von der Grundlinie und beim Return muss er sich jedoch noch steigern.

Überzeugt hat in den vergangenen Wochen auch Andy Murray, Sieger in München und Madrid auf Sand sowie im Londoner Queen's Club auf Rasen. Der Schotte hatte 2013 eine 77-jährige britische Wartezeit auf einen Herren-Einzeltitel in Wimbledon beendet. Heuer forderte er im French-Open-Halbfinale Djokovic während fünf Sätzen - auf seinem schwächsten Belag. Auf Rasen ist er noch stärker einzustufen.

Für French-Open-Sieger Stan Wawrinka ist Wimbledon das einzige Grand-Slam-Turnier, bei dem er noch nie im Halbfinale war. Trifft er früh auf einen der Aufschlag-Giganten wie Ivo Karlovic (CRO), John Isner (USA) oder Angstgegner Kevin Anderson (RSA), könnte es für ihn heikel werden. Je länger Wawrinka aber im Turnier ist, desto gefährlicher wird er. Das bewies er mit den Titeln bei den Australian Open 2014 und in Paris 2015.

Bei drei der vergangenen sechs Major-Turniere jubelte am Ende ein ursprünglicher Außenseiter (zweimal Wawrinka, einmal Marin Cilic/CRO). Gefährliche Außenseiter gibt es auch diesmal. Und es gibt Rafael Nadal. Der Sieger von 2008 und 2010 hat bei seinen jüngsten drei Wimbledon-Antritten nur vier Partien gewonnen, ausgeschieden ist er gegen Außenseiter. Ein solcher ist der Spanier trotz seinem Titel in Stuttgart nun selber.