Thomas Muster hat ein bewegtes und erfolgreiches Leben hinter sich. Bei der Eröffnung der Ausstellung „Official Tennis Experience“ in der Stadthalle F führte der ehemalige Weltranglisten-Erste Dienstagabend fast wie ein Museumsdirektor durch die Exponate, gespickt mit vielen seiner Pokale und dazugehörigen Geschichten. Im kleineren Kreis sprach Muster auch über das Karriereende von Dominic Thiem, über Hoffnung Joel Schwärzler und den wichtigen Gang ins Ausland.
„Ich trenne mich, auch wenn es schwer ist, von einem Teil meines Lebens, aber der ist nur materialistisch“, meinte Muster zu seinen Trophäen, die zugunsten des Ö3-Weihnachtswunders einen sechsstelligen Betrag bringen sollen. Bewusst wird wohl so manchem auch jüngeren Tennisfan, was dieser Thomas Muster seinerzeit alles geschafft hat. Der oft strapazierte Vergleich mit Thiem passt dann nicht mehr so ganz.
Warum Thomas Muster gerne spendet
„Man kann die Generationen nicht vergleichen. Ich habe 55 Finali gespielt, 44 gewonnen, das ist nicht nichts. Ich war Nummer eins der Welt und habe ein Grand Slam gewonnen. Man sieht auch, dass schon ein bisserl was dahinter ist“, meinte Muster im Interview. „Das ist auch immer so ein Motto gewesen, wenn du ins Finale kommst, dann gewinnst auch. Das ist nicht immer gelungen, vor allem auch in der Stadthalle drei Mal nicht, das war eine schlechte Ausbeute“, ist Musters Stadthallen-Rückblick auch mit einem Wermutstropfen versehen.
Vor allem wegen des 1988 verlorenen Wien-Finales gegen Horst Skoff, nachdem er sich die ganze Nacht übergeben hatte und er eigentlich nicht hatte antreten wollen. „An dem Tag muss man eigentlich im Bett bleiben. Aber Leo (der damalige Turnierdirektor Leo-Günther Huemer, Anm.) hat mich bekniet, ‚du die Halle ist ausverkauft, du musst spielen‘. Was hätte ich machen sollen? Hätte ich nicht gespielt, hätten die Leute gesagt, ich habe Angst und traue mich nicht gegen Horsti spielen. Auf der anderen Seite habe ich gewusst, ich kann gar nicht gewinnen, weil ‚best of five‘ geht sich nie aus für mich. Das war das damalige Skandal-Finale - der eine speibt sich an, der andere knöchelt um.“
Sowohl Musters als auch Thiems Karriereende kam mit 31, auch wenn der Steirer es dann über zehn Jahre später nochmals versucht hat. „Für mich ist es ein bisserl früh“, meinte Muster zu Thiems Entscheidung. „Ich kann das Handgelenk nicht beurteilen, ich bin kein Arzt, ich kann mich nicht in seine Gefühlswelt hineindenken. Ich weiß nur, dass man in dem Alter ein bisserl anders zu denken anfängt, was das eigene Leben betrifft. Bei mir ist es aus Schmerzgründen nicht mehr gegangen. Das war relativ spontan. Bei ihm war es doch ein Prozess. Für mich ist es trotzdem sehr früh, wenn ich mir Wawrinka oder andere Spieler anschaue. Ich wünsche ihm alles Gute und auch, dass er in zehn Jahren zu seiner Entscheidung auch noch steht.“
Muster ist dem Wiener Turnier als Turnierbotschafter seit über einem Jahrzehnt bis heute treu geblieben. „Das Turnier war immer wertvoll. Wenn man schaut, wer hier (von den großen Stars, Anm.) nicht gespielt hat, da gibt es drei Namen: Rafael Nadal, Björn Borg und Jim Courier.“ Das Turnier habe sich enorm verändert. Damals hat es keine LED-Anzeigen gegeben, nicht einmal eigene Umkleiden oder ein Gym für die Spieler. „Früher hast du dir mit Essensmarkerl etwas vom Buffet holen können.“
Mit dem Ende von Thiems Karriere gilt der Blick aus rot-weiß-roter Sicht der Zukunftshoffnung Joel Schwärzler. „Er geht jetzt seinen eigenen Weg ohne Jürgen Melzer. In der Jugend waren schon viele gut“, warnt Muster, der dem 18-Jährigen schon beachtliche Erfolge im Herrentennis attestiert. Mit Schwärzlers spanischem Manager Galo Blanco scheint ein ausländischer Weg für den Vorarlberger, der noch keine Trainerentscheidung verlautbart hat, vorgegeben.
Muster würde das begrüßen: „Ja. Wenn man der Beste im Land ist, muss man das Weite suchen. Du musst dir deine Hörner woanders abstoßen, andere Quellen anzapfen, das habe ich auch gemacht. Die meisten Menschen behaupten, Thomas Muster hat aus Steuerflucht in Monaco gelebt, aber ich habe mir gerade einmal ein Zimmer mit Ronnie (Leitgeb) teilen können. Aber wir haben kaum das Geld gehabt, dass wir uns die Wohnung leisten haben können“, erinnerte der French-Open-Sieger 1995.
Es sei aber ein „smarter Move“ gewesen, in Monaco hätten lange Zeit die Besten trainiert wie auch schon Björn Borg, Mats Wilander oder ein Boris Becker. „Es war das Beste damals, was ich machen konnte.“ Es sei falsch zu glauben, dass man in Österreich mit einer Sportart groß wird. Als Ausnahme nannte Muster Skifahren.
Er selbst würde Schwärzler mit Rat und Tat zur Seite stehen, beantwortete Muster eine diesbezügliche Frage. „Ich werde mich nie anbieten, ich will ihn nicht coachen.“ Auch wenn vieles im modernen Tenniszirkus mit der Zeit gegangen ist, so haben sich für Muster die „Gesetzmäßigkeiten im Sport nicht verändert“.
Sein Tipp für die Jungen? „Kämpfen, Fighten, ‚Orsch z‘sammkneifen‘ und machen. Es wird keinem was geschenkt, es gibt Hunderttausende, die das Gleiche vorhaben und es haben nur zehn Platz unter den ersten Zehn.“
Schwieriges Thema
Die aktuelle Nummer eins wäre in Wien auch Titelverteidiger. Zu Jannik Sinner und dessen Dopingfall hat Muster eine zwiespältige Meinung: „Das ist eine schwierige Geschichte, weil ich mag den Sinner sehr. Ich würde ihm nie Vorsätzlichkeit unterstellen. Die geringe Menge, wie das in den Körper gekommen ist, hat er uns erklärt. Die Frage ist: wenn du das durchgehen lässt, wo ziehst du eine Grenze? Du öffnest Tür und Tor. Ich unterstelle ihm gar nichts, bin der Erste, der sagt, bitte sperrt ihn nicht, aber es gibt eben Gesetze und es sind Leute für so etwas schon gesperrt worden. Es ist ein unglaublicher Grenzfall. Ich bin froh, dass ich die Entscheidung nicht treffen muss.“