Erst am Sonntagabend wurde die zweite Episode des „Mehrleben“-Videoblogs, kurz Vlog genannt, von Dominic Thiem, der mit Saisonende seine Karriere beenden wird, auf den sozialen Kanälen veröffentlicht. Manager und Bruder Moritz hatte angekündigt, der Vlog würde Informationen beinhalten, die es zuvor noch nie gegeben hätte. 55 Minuten dauert das Video insgesamt – zu sehen sind Dominic Thiem, Moritz und Papa Wolfgang, die auf einem Platz der väterlichen Tennisakademie in Oberpullendorf auf drei Stühlen sitzen und über den Werdegang und die emotionalen Momente des ehemaligen Weltranglistendritten plaudern und sinnieren.
Der erste Teil der zweiten Episode endet mit dem Triumph 2020 bei den US Open, im zweiten Teil geht es dann um die Handgelenksverletzung und alles, was danach folgte. Wann dieser erscheint, ist noch nicht bekannt. Wer sich den Vlog ansieht, wird das ganz große Aha-Erlebnis vermissen. Trotzdem ist das Video für jeden Thiem-Fan ein Muss, erhält man doch einen tiefen Einblick in die Denkweise Thiems und all seine Entbehrungen sowie gute Tipps für Tennis-Eltern eines „Dominic Thiem von morgen“.
Thiem startet die Reise in seine Vergangenheit quasi als Baby, hätte er laut seinem Vater doch bereits mit einem Jahr mit einer Fliegenklatsche auf einen Luftballon eingeschlagen. Nach den ersten Jugendjahren hätte es 2005 den ersten großen Einschnitt gegeben, als der Lichtenwörther bei einem Turnier in Frankreich mit 0:6, 0:6 verlor und seinem Trainer Günter Bresnik gesagt hätte, dass er ihm hohe Bälle auf seine beidhändige Rückhand Probleme bereiten würden. Dies hätte den Anstoß zur Umstellung auf die einhändige Rückhand gegeben. Das Training mit seinem Mentor sei brutal gewesen: „Es war eine intensive Zeit. Ich bin jeden Tag an meine Grenzen und darüber hinaus gegangen. Aber das hat sich später bezahlt gemacht.“
Auch interessant: „Ich bin eher der Fehlervermeiden-Typ. Aber auf dem Platz brauchst du aber eine Grundaggressivität, sonst gewinnst du nichts. Das war für mich eine schwierige Umstellung und ist es auch heute noch. Es passt nicht zu meinem Charakter, auf den Platz zu gehen und zu sagen: Den mache ich jetzt weg.“ Dass ihm erst 2014 mit 20 Jahren der Sprung in die Top 100 gelungen ist, sei relativ spät gewesen. Den Glauben an eine große Karriere hätte er durch eine Niederlage gewonnen: „Als ich 2013 in Wien gegen Tsonga erst im Tiebreak des dritten Satzes verloren habe, hat mir das einen Riesenschub für das Selbstvertrauen gegeben. Das war ein Wendepunkt – da habe ich gesehen, dass ich es nach ganz vorne schaffen kann.“
Doch keine verfrühte Abreise
Seine Turniersiege 2019 in Kitzbühel und Wien seien riesige Highlights gewesen, die Final-Niederlage 2020 bei den Australian Open gegen Novak Djokovic wäre laut Papa Wolfgang eines des besten Matches seines Sohnes überhaupt gewesen. Dann kam Corona: „Ich hatte viel Zeit zum Trainieren, aber auch zum Nichtstun. Und ich hatte Schwierigkeiten, wieder in den Flieger zu steigen und in den Tour-Alltag zurückzukehren. Nach dem in New York ausgetragenen Turnier von Cincinnati, wo ich nicht gut gespielt habe, spielte ich mit dem Gedanken, wieder heimzufliegen.“ Dies tat Thiem Gott sei Dank nicht, gewann er doch wenig später bei den US Open seinen langersehnten Grand-Slam-Titel. „Ich habe im Finale schlecht begonnen, dann aber so gespielt, als würde es um sprichwörtlich alles gehen. Hätte ich verloren, weiß ich nicht, ob ich mich davon erholt hätte“. Für Thiem sollte es der letzte Turniersieg seiner Karriere sein . . .
Fortsetzung folgt!