Der tschechische Sport wird von einem Betrugsskandal erschüttert, der auch bis nach Europa ausstrahlt. Ivo Kaderka (60), Präsident des tschechischen Tennisverbandes und des europäischen Verbandes Tennis Europe, sitzt seit vergangener Woche in Untersuchungshaft. Es gebe stichhaltige Beweise, dass er staatliche Förderungen veruntreut habe, wie Staatsanwalt Ondřej Trčka bestätigte.
Polizei und Ermittler des „Nationalen Zentrums zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität“ führten über drei Tage Razzien durch, die sich auf den Tennisverband konzentrierten. Fünf Personen bzw. fünf Gesellschaften sind des Betruges bzw. der Korruption beschuldigt. Zwischen fünf bis zehn Jahren Haft für Betrug bzw. zwei bis acht Jahre Haft für Korruptionsvergehen drohen. Kaderka und ein weiterer einflussreicher Tennisfunktionär, der ehemaliger Tennisprofi Vojtěch Flégl (56) befinden sich in Haft, während die anderen drei auf freiem Fuß verfolgt werden. Unter ihnen ist mit Daniel Vacek (52) auch ein dreifacher Grand-Slam-Sieger im Doppel (Paris 1996/1997 und New York 1997).
Ins Visier der Ermittler geriet Kaderka nach der Abrechnung einer Förderung in der Höhe von 65 Millionen Kronen (2,56 Millionen Euro) für das Finale des Billie-Jean-King-Cups in Prag 2021. Der öffentlich rechtliche Hörfunk „Český rozhlas“ berichette, dass Teile davon bei Kaderkas Leuten bzw. seiner Tochter gelandet seien. Auch die über die „Nationale Sportagentur“ verteilten Förderungen sollen veruntreut worden sein. So soll etwa fast ein Drittel aller Förderungen von vor zwei Jahren – insgesamt 5,5 Millionen Euro –an einen einzigen Verein gegangen sein: Orel Jednota Prag, dessen Obmann Voitech Flegl, Vorstandsmitglied des Verbandes und enger Vertrauter von Kaderka, ist. Flégls Verein sollte damit Tennisturniere finanzieren, beauftragte u. a. Firmen seiner Frau. Laut Ermittlern wurden dabei auch Scheinrechnungen gestellt.
Kaderka ist seit 26 Jahren „Herr“ über den tschechischen Tennissport und gilt als unantastbar in der Szene. Er ist dafür bekannt, dass er gegen seine Gegner hart durchgreift, und um seine Person gab es schon mehrere Kontroversen. Allerdings scheint er geahnt zu haben. dass sich die Schlinge zuzieht. Im vergangenen Jahr trennte er sich von seinem gesamten Immobilienvermögen, im Gegenzug „erwarb“ seine um 21 Jahre jüngere zweite Ehefrau Darina in verschiedenen Teilen Prags und Tschechiens Häuser und Grundstücke, obwohl sie selbst offiziell nur 3000 Euro pro Monat verdient. Zudem ist sie Obfrau des Frauen-Basketballklubs Slavia Prag, der von Kaderka gegründet und geleitet wird. Der Verein trägt seine Spiele in einem nagelneuen, millionenschweren Komplex aus, in dem auch die „Krpalek Academy“ des zweifachen Judo-Olympiasiegers von Rio de Janeiro 2016 und Tokio 2021, Lukáš Krpálek (33) angesidelt ist. Er ist Kaderkas Schwiegersohn.
Das sportliche Umfeld in Österreichs Nachbarland ist nicht selten von Subventionsskandalen geplagt. Vor sieben Jahren verbrachte der damalige Präsident des Tschechischen Fußballverbandes, Miroslav Pelta, einen Monat in Untersuchungshaft. Er und Simona Kratochvílová, eine Sektionsleiterin im Bildungsministerium, wurden im April 2023 wegen Korruption zu sechs bzw. sechseinhalb Jahren Haft verurteilt. Pelta ist aber weiterhin im Fußball tätig: Als Präsident des Erstligisten FK Jablonec. Denn das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Vit Chalupa, freier Journalist in Prag