US-Open-Finalist Daniil Medwedew, im Vorjahr schon einmal für 16 Wochen Nummer eins der Tennis-Männer, hat sich nach seinem Semifinaleinzug in Wien u.a. auch zu den vielen Hass-Kommentaren in den sozialen Netzwerken geäußert. Der 27-jährige Russe geht im Wesentlichen cool damit um. Er meidet aber sein Instagram-Konto nach Niederlagen für einige Tage.
Wie man Spieler, aber auch Fans vor öffentlichen Hass-Tiraden, meist ausgelöst durch Wett-Verlierer, schützen kann, darüber ist sich auch der US-Open-Champion 2021 nicht im Klaren. „Das ist eine sehr schwierige Frage, ich habe nicht wirklich eine Antwort“, gestand Medwedew auf APA-Nachfrage. Die Negativität beginne schon bei Future-Turnieren. „Wenn du ein Match verlierst, wirst du ‚zerstört‘“, erzählte er lachend. „Je höher nach oben du kletterst, umso mehr attackieren sie dich.“
Selbst ein Superstar wie Novak Djokovic sei davor nicht gefeit, schilderte der Familienvater. So habe er Djokovic einmal im Players-Bereich beobachtet, wie dieser sein Instagram nach einer Niederlage gesehen hat. „Wenn er sehr selten einmal ein Match verliert, dann schreiben Leute Sachen wie ‚du solltest nie wieder Tennis spielen‘.“ Für Medwedew gehört diese unberechtigte Kritik, die oft auch unter die Gürtellinie oder gar gegen Familienmitglieder geht, schon dazu. „Es ist Teil des Lebens, Wetten ist Teil des Sportbusiness und es wäre ohne wohl weniger Geld im Sport.“
Gegen Beschimpfungen oder Drohungen gegen die Familie sollte man hingegen vorgehen können. „Ich persönlich habe mich daran gewöhnt. Manchmal können mich einige Kommentare noch berühren, aber wenn ich verliere, weiß ich, dass mein Instagram voll von diesem Scheiß ist. Dann versuche ich ein, zwei Tage nichts zu lesen.“ Er versucht es somit also selbst zu regulieren.
Dass auch minderjährige Fans unter seinen Fotos mitunter schwere Beleidigungen sehen können, weil diese nicht gelöscht wurden, hat er so noch nicht realisiert. Er sieht das aber nicht in seiner Verantwortung. „Weder ich, noch mein Team können 24 Stunden lang online sein. Ehrlich gesagt, derzeit nehme ich es so, dass social media einfach so ist. Ich lese manchmal Twitter und man sieht, wie sie auch auf Leute wie Elon Musk, Leonardo di Caprio oder sogar Präsidenten losgehen.“
Und dennoch möge er diese Plattformen auch. „Es hat auch eine Menge Gutes gebracht, um Leute auch zu einen.“ Und so haben er und seine Frau auch schon Bilder ihrer Tochter veröffentlicht, während andere Prominente die Gesichter unkenntlich machen. „Wir haben nie wirklich darüber nachgedacht, weil wir hoffen, dass wir in einer sicheren Umgebung leben. Wenn jemand schimpft, sind dann hunderte Kommentare wie wunderschön sie ist. So kann man es auch nehmen. Hoffentlich muss ich es nie bereuen.“
„Aber ich liebe das Gefühl zu gewinnen“
Dass er einst die Sportart Tennis gewählt hat, wird er sicher nie bereuen, auch wenn er sich nicht als „Besessenen“ bezeichnet. So holte er sich Freitagabend nach seinem Semifinaleinzug mit einem „Fantasy Premier League“-Videospiel noch Entspannung der anderen Art. 24/7 nur über Tennis reden, das könne er nicht. „Aber ich liebe das Gefühl zu gewinnen und ich hasse es, zu verlieren. Also bin ich vielleicht doch auf eine Art besessen. Wenn du es gar nicht bist, kannst du nicht großartig werden.“
Wie er über die Krise von Dominic Thiem denkt, wurde er auch gefragt. „Er hat die Schläge immer noch. Er spielt gut, hat gegen Stefanos Tsitsipas zweimal erst im entscheidenden Tiebreak verloren.“ Medwedew glaubt, dass Österreichs Ex-US-Open-Sieger noch einmal zurückkommen kann. „Er weiß wie es geht, er ist ein Grand-Slam-Sieger, ein Masters-1000-Sieger. Für mich hat er, bis er sagt, dass er zurücktritt, das Potenzial, jedes Turnier zu gewinnen.“
Gerne erinnert er sich an diverse Duelle mit Thiem zurück, vor allem an das von ihm knapp gewonnene Endspiel bei den ATP Finals 2020. „Es war brutal, gegen ihn zu spielen. Das Finale war vielleicht eines der besten Matches, die ich je gespielt habe.“