Herr Rogan, wie geht es Ihnen in dieser Zeit der Coronavirus-Krise?
Markus Rogan: "Es geht mir ganz entspannt. Ich habe riesiges, riesiges Glück. Weil meine Kinder sind alt genug, dass man nicht ständig bei ihnen sein muss. Und sie sind noch nicht alt genug, dass sie ständig Schule haben. Ich stelle mir das schwierig vor, mit Kindern unter ein und mit Kindern zwischen 7 und 18 Jahren. Meine Kinder sind eineinhalb und drei. Das ist eigentlich total entspannt."
Kalifornien liegt unter den US-Bundesstaaten bei der Anzahl der positiven Corona-Tests an dritter Stelle. Wie ist das Leben in diesem Umfeld?
"Es ist kein Verkehr in LA. Das ist ganz komisch, dass die Straßen leer sind. Meine Patienten habe ich aber nach wie vor. Sogar ein bisschen mehr, weil manche nervös sind. Speziell Leute mit Angststörungen. Leute mit Depression, mit denen ich arbeite, geht es verhältnismäßig gut, weil sie immer zu Hause sind oder verhältnismäßig wenig hinauskönnen oder -wollen. Es geht ihnen besser, weil jetzt alles viel langsamer ist. Die mit der Angst, denen geht es schlechter, weil sie viel nervöser sind, was passiert und wie es weitergeht."
Gibt es in der aktuellen Situation Einschränkungen in Ihrer Arbeit?
"Direkte soziale Kontakte habe ich nur mit meiner Familie und mit einigen Patienten. Bei uns wurde alles eingestellt außer das Essenzielle, und da zählen Psychologen dazu. Die Einschränkung, die ich habe, ist, dass ich circa 80 Prozent der Patienten online sehe, also via Facetime. Die wenigen, die in meine Praxis kommen, da habe ich so eine Schleuse mit Fieber-Thermometer und Masken und Handschuhen. Die gehen durch die Schleuse durch, da wird Fieber gemessen. Bis jetzt ist es noch nicht passiert, dass jemand, der Symptome hatte, gekommen ist."
Wie oft kommen Sie ins Freie, wie empfinden Sie da die Beschränkungen?
Die Beschränkung ist, dass die Campingplätze zu sind. Aber die Parks sind offen, wir gehen viel spazieren. Das ist ein riesiger Vorteil in Kalifornien. Es ist nicht schwer, von jemandem wegzubleiben, da alles so riesig ist. Meine Schwester wohnt in Zürich, dort bist du dauernd in der 2-m-Zone von jemand anderem. Das bist du hier nicht. Die Parkplätze zu den Stränden sind zu, aber die Strände selbst sind offen. Die Leute gehen zum Strand, um zu laufen. Die Strände sind riesig, die sind zum Teil 600, 700 m breit. Das sind riesige Flächen."
Wie sehen Sie die Entwicklung punkto Corona gesamtheitlich in den USA?
"Ich kann das schwer beurteilen. Ich weiß nur, dass es in New York schlimmer zugeht. Ich habe übrigens die Sanitäter-Ausbildung gemacht, und da haben sie jetzt schon eine extreme Nachfrage. Ich habe nicht vor, als Sanitäter zu arbeiten. Aber ich habe viele Patienten, die Bergsteigen und Höhlentauchen und Skifahren. Und um auf Nummer sicher zu gehen - weil bis jetzt habe ich riesiges Glück gehabt, dass nichts passiert ist -, wollte ich die machen. Auch meine Söhne sind so, wie ich als Kind war. Überall herumklettern und raufspringen. Da habe ich mir gedacht, es wäre gut, wenn ich mich da ein bisschen auskenne."
Noch einmal zur US-Politik in Bezug auf den Coronavirus? Wo steuert die USA hin?
"Ich finde es total spannend, weil es ist ein Drahtseilakt zwischen Gesundheit und Wirtschaft. Und wenn man die Aktien beobachtet, das ist eine irrsinnig spannende Zeit. Die Amerikaner haben sich zwischen Gesundheit und Wirtschaft generell für Wirtschaft entschieden. (US-Präsident Donald, Anm.) Trump ist natürlich stark auf der Seite der Wirtschaft."
Wie sehen Sie das Gesundheitssystem in den USA gerüstet, sollte es zu einer Verschlimmerung der Lage kommen?
"Das durchschnittliche Gesundheitssystem ist in Österreich viel, viel besser. Wenn man aber 10 Millionen auf der Seite hat, dann ist das Gesundheitssystem in Amerika schon sehr gut. Auf der anderen Seite, wenn man kein Geld hat, dann ist das Gesundheitssystem hier fast nicht vorhanden."
Kommen wir ins Sportliche. Die Verschiebung der Olympischen
Spiele ins nächste Jahr: Wenn Sie das aus Athletensicht sehen, wie hätten Sie das empfunden?
"Als junger Sportler, perfekt. Da hat man Zeit, um besser zu werden. Als alter Sportler ist es schlecht. Ich finde aber die Fälle interessant, wo Dopingsperren auslaufen. Es gibt Leute, deren Dopingsperren im September, Oktober, November 2020 auslaufen. Die hätten heuer nicht zu den Spielen dürfen, aber 2021 können sie jetzt theoretisch schon."
Was meinen Sie, wie lange sich die derzeitige Pause im Wettkampfsport noch ziehen kann?
"Das kann ich schwer beurteilen. Aus Sportlersicht ist es leider wieder die Zeit, wo die reichsten Sportler die größtenVorteile haben. Die Profi-Sportler, mit denen ich arbeite, die privat Basketball-Plätze und Schwimmbecken zu Hause haben, die haben jetzt natürlich einen tollen Vorteil. Die trainieren Vollgas weiter. Aus Sicht der Basketballer, mit denen ich arbeite: Manche haben ihren eigenen Court zu Hause. Die trainieren Vollgas, wie die Verrückten. Wenn ich jetzt auf Sportler setzen würde, dann würde ich auf die setzen, die zu Hause in der Besenkammer unglaublich kreativ werden. Die wirklich Motivierten, die werden jetzt besser. Die kommen in ein paar Wochen raus, dass du glaubst, das gibt es gar nicht. Aus der Sicht eines Sport-Wettbüros würde ich mir genau
anschauen, wie verhalten sich die Sportler über die nächsten Wochen.
Die Motiviertesten, die werden unglaublich trainieren. Und die, die
nur vom System mitgezerrt werden - die einen guten Trainer haben
oder in einem guten System sind -, die werden sich jetzt ein
bisschen ausruhen. Das Schönste jetzt ist Eigenmotivation - wenn man
das messen könnte, das wäre spannend."
In welchen Sportarten sind die von Ihnen betreuten Sportler beheimatet? Und sind Sie noch für das israelische Fußball-Nationalteam tätig?
"Fußball, Schwimmen, Basketball und ein paar Künstler, die zum Beispiel im Cirque du Soleil auftreten. Für Israels Team bin ich noch tätig, ja. Jetzt wäre ja gerade das EM-Play-off."
Schwimmen Sie noch ab und zu?
"Ich bin amtierender "Underwater Torpedo League"-Champion. Das sind lauter UFC-Fighter und Marines und Navy Seals, die mehr oder weniger Unterwasser-Rugby spielen. Ein geiler Sport! Das mache ich seit ein paar Monaten. Da gab es die Aqua Bowl, wie die Super Bowl. Ein Team besteht aus fünf Spielern. Das Schwierige ist nicht die Dauer, du bist nie länger als eineinhalb Minuten unter Wasser. Das Schwierige ist, dass du im Kampf bist. Das ist die volle Anstrengung. Da sind immer Life-Guards dabei, falls etwas passiert."
Sie sind also nach wie vor sehr fit?
"Aber nicht wegen des Sports, sondern weil ich zwei kleine Kinder habe. Die halten mich auf Trab."
Thomas Blaschke/APA