Martijn Swinkels hat eine Eigenschaft, um die ihn Millionen Menschen beneiden. Selbst wenn er als Beifahrer über Stunden hinweg bei Hitze lesen oder schreiben muss, wird ihm einfach nicht schlecht. "Ich habe damit kein Problem, auch wenn ich hinten sitze. Ich kann auch in schnellen Abfahrten sprechen und schreiben – glücklicherweise." Diese Eigenschaft und viele andere Talente prädestinieren ihn für eine der wichtigsten Aufgaben während eines Radrennens. Swinkels ist die Stimme von Radio Tour.
Zwischensprints, Defekte, Attacken, Fluchtgruppen, Stürze, Gefahren, Abstände ... es ist nicht einfach, in einem Radrennen den Überblick zu wahren. Vor allem nicht, wenn man weit hinter den Fahrern im Konvoi sitzt "Bei Radio Tour ist man beschäftigt, alle Informationen an die Teamleiter, Betreuer, Organisation, Polizei, Rettung und die Rennärzte weiterzugeben. So, dass jeder weiß, was im Moment passiert. Das ist mein Job".
Eigentlich ein Funksignal auf der Frequenz 160,575 MHz ist es im klassischen Sinn kein "Radio". Gesendet wird auch bei der Ö-Tour aus einem sehr kleinen, aber exklusiven "Studio", denn Swinkels sitzt im Auto der Jurypräsidentin Elaine Silveira Sirydakis auf der Rückbank. Der Wagen ist der erste hinter dem Feld. Zwei weitere Kommissare sind vor dem Feld und im Konvoi unterwegs. "Alle Informationen laufen über Radio Tour. Ich entscheide nichts, gebe nur weiter, was mir meine Kollegen sagen." In den 1970ern erhielt der Funk im Radsport Einzug. Längst sind auch die Teams "verkabelt" und Swinkels hat mehr als nur ein Funkgerät neben sich.
Obwohl er gern im Epizentrum des Geschehens ist, will Swinkels selbst nicht großartig in Erscheinung treten, keine Bilder von sich machen lassen, sagt der Herr besten Alters mit seinem niederländischen Akzent. Neben seiner Muttersprache spricht er fließend Französisch, Englisch und auch in Bella Italia hat er die passenden Worte, um sie durch den Äther zu senden. Und: "Es gibt nicht so viele, die auch in Deutsch die Ansagen machen können und darum bin ich auch hier." Im Jahr 1991 hat er als Kommissar im internationalen Radsport begonnen und leitet die größten Rennen wie etwa "la Primavera" (Mailand-San Remo), Olympia oder Grand Tours. Immer wieder übernahm er Radio Tour, so auch in Österreich. "Man weiß vorher einfach nie, was passieren wird. Selbst eine Bergetappe kann langweilig sein, wenn nichts geschieht. Auf flachen Etappen passiert immer etwas weniger. Aber wenn es Windkanten gibt, bist du wieder unheimlich beschäftigt."
Auch wenn in den Rennen bis zu 20 Mannschaften ihren eigenen Plan verfolgen und eigentlich nichts vorhersehbar ist, will der Niederländer bestens vorbereitet sein. Sobald er das Roadbook erhält, studiert er es, sucht nach neuralgischen Punkten. "Am Abend vor der Etappe schaue ich mir dann alles noch einmal genau an. Mache mir Notizen, Anmerkungen. Etwa, wo es zu Schwierigkeiten kommen könnte. Ich muss aber immer abwarten, was passiert und welche Instruktionen ich von den Rennleitern bekomme."