"Gino Mäder war Teamkollege und Freund", sagt Bernhard Eisel und atmet durch. Tief betroffen vom Ableben Gino Mäders fährt der ehemalige Berufsradfahrer fort: "Wir haben sehr viel zusammen erlebt und ich bin zutiefst geschockt." Der Schweizer Mäder war auf der fünften Etappe der Tour de Suisse in der letzten Abfahrt gestürzt. Nach erfolgreichen Reanimationsversuchen wurde Mäder ins Krankenhaus gebracht, verstarb aber am Freitag an den Folgen des Sturzes.
"Diese Abfahrt wurde nicht zum ersten Mal gefahren. Ich kenne den Berg gut, bin ihn auch schon im Regen heruntergefahren. Aber Radsport ist und bleibt ein gefährlicher Sport. Ich habe den Unfall nicht gesehen und wenn man nicht dabei war, kann man die Situation nicht beurteilen. Die Tour de Suisse ist keine gefährliche Rundfahrt und auch keine, die nicht auf die Fahrer schaut", sagt Eisel. Er selbst trug bei der eidgenössischen Landesrundfahrt 2005 das Gelbe (damals noch Goldene) Trikot des Gesamtführenden. 2019 bestritt Eisel seine letzte Saison als Profi – an der Seite des Schweizers Mäder beim Team Dimension Data.
Seit seinem Karriereende ist Eisel bei der deutschen Mannschaft Bora Hansgrohe als einer der Sportdirektoren aktiv. "Wir versuchen, die Fahrer auf die Abfahrten vorzubereiten und zeigen die Schlüsselstellen auf. Aber man kann ihnen auch nicht jede einzelne Kurve ansagen", erklärt Eisel. Ihn ereilte die Nachricht vom Ableben Mäders während einer Trainingseinheit mit seinen Fahrern. "Die Gefahr fährt immer mit, aber auf dem Rad empfindet man das anders. Wenn ich als Sportlicher Leiter im Auto hinten nachfahre, bin ich oft selbst erstaunt, wie schnell sich die Jungs die Berge hinunter hauen." Er selbst übte immer wieder Kritik, wenn die Sicherheit der Fahrer gefährdet war. "Die Sicherheitsfrage taucht immer dann auf, wenn etwas Schlimmes passiert. Wir Sportler weisen aber immer wieder darauf hin und werden dafür oft sogar kritisiert." Vor allem im Netz würden die Profis gescholten: "Dann kommen die 'Keyboard Warriors' und schreiben im Internet, dass früher ohnehin alles noch gefährlicher und steiler war."
Bei großen Rennen, betont Eisel, wird sehr viel für die Sicherheit der Fahrer getan. "Aber natürlich kann immer etwas passieren. Das Bergabfahren gehört genauso zum Rennen wie das Bergauffahren", sagt Eisel. In den vergangenen Jahren gewannen die Bergabfahrten jedoch immer mehr an Bedeutung, auch für den Ausgang der Rennen und Etappen. So ließ sich etwa der Slowene Matej Mohorič 2022 vor Mailand–San Remo eine versenkbare Sattelstütze einbauen, um noch schneller den Poggio hinunterzurasen.
Der Teamkollege von Mäder siegte damals beim "Monument des Radsports" aufgrund seiner waghalsigen Abfahrt. Vinzenzo Nibali sicherte sich mit seinen Abfahrtskünsten zahlreiche Erfolge und im Vorjahr ließ Thomas Pidcock mit seinem Husarenritt den Col du Galibier hinunter die Fans staunend zurück. Der britische Mountainbike-Olympiasieger (Ineos Grenadiers) triumphierte schließlich in Alpe d’Huez. "Seit gut zehn Jahren", sagt Eisel, "werden die Abfahrten immer entscheidender. Das Risiko trägt letztlich aber immer der Fahrer."
Die Entscheidung, dass die Tour de Suisse aus aktueller Sicht trotz des tödlichen Unfalls weiterfährt, sieht Eisel mit gemischten Gefühlen. "Gino war Rennfahrer mit Leib und Seele. Ich hoffe, sein Andenken wird in den kommenden Jahren geehrt." Die sechste Etappe wurde auf die letzten 30 Kilometer und eine neutralisierte Trauerfahrt verkürzt, ob und wie es weitergeht, war offen.
Neben Eisel fuhren noch weitere heimische Radasse mit Mäder im Team. Michael Gogl (2020/NTT), Marco Haller (2021/Bahrain), Hermann Pernsteiner (2021–2023/Bahrain) und Rainer Kepplinger (2023). "Ich kann das Gefühl, das ich habe, nicht beschreiben und ich finde nicht die richtigen Worte. Heute habe ich meinen Teamkollegen, meinen Zimmerkollegen und einen meiner besten Freunde verloren. Danke Gino für all die schönen und harten Momente, die wir zusammen verbracht haben. Ich werde dich niemals vergessen", schrieb Pernsteiner.