Es war keine leichte Aufgabe: Einen Tag nach seinem Husarenritt, der Felix Gall als erstem Österreicher nach 19 Jahren das Gelbe Trikot bei der Tour de Suisse gebracht hatte, musste er dieses gleich auf der Königsetappe verteidigen. Von Fiesch nach La Punt ging es am fünften Tag der Tour de Suisse, über drei Pässe (Furka, Oberalp und Albula) und 211 Kilometer. Und letztlich entschieden Sekunden darüber, dass Gall die Gesamtführung verlor – nach heroischem Kampf. Den Tagessieg holte sich der Spanier Juan Ayuso (der damit Dritter der Gesamtwertung ist), neuer Mann in Gelb ist der Däne Mattias Skjelmose, der Gall vier Sekunden abnahm und dank Zeitbonifikationen nun acht Sekunden vor dem 22-Jährigen liegt.
Ayuso galt lange als eine der heißesten Aktien, die im internationalen Radsport gehandelt wurden. Das Rennen um die Unterschrift des 20-Jährigen machte das finanzkräftige UAE-Team rund um Tadej Pogačar. Auf der Königsetappe zeigte er, dass er mehr als ein großes Versprechen ist. Auf dem letzten Anstieg, dem Albulapass, griff zunächst Gall selbst die Kapitäne der anderen Teams an, sprengte das Hauptfeld und zog mit einer kleinen Gruppe davon.
Doch Ayula, der in den vergangenen Tagen rund eine Minute auf Gall verloren hatte, setzte wenige Kilometer vor dem Pass eine eindrucksvolle Attacke, ließ auch die bis dahin voranliegende Fluchtgruppe stehen und ging als Erster in die lange Abfahrt Richtung Ziel. Gall folgte gemeinsam mit Pello Bilbao (Bahrain) und Wilco Kelderman (Jumbo). Der Spanier nahm volles Risiko, fuhr mehr als 100 km/h auf der Bergstraße.
Gall gelang es zwar, den Rückstand auf Ayula im Rahmen zu halten, der 1:18 Minuten hätte aufholen müssen. Als Achter verlor er 58 Sekunden. Es reichte aber trotzdem nicht zur Spitze. Denn der Däne Mattias Skjelmose (Trek), der nur zwei Sekunden hinter Gall in die Königsetappe gegangen war, fuhr sich vier Sekunden Polster auf Gall heraus. Dank der Zeitbonifikation als Etappenzweiter liegt er nun acht Sekunden vor dem AG2R-Fahrer.
Gall war "natürlich enttäuscht"
"Ich bin natürlich enttäuscht, weil ich das Gelbe Trikot verloren habe. Ärgerlich ist, dass es auf der Abfahrt passiert ist. Es war verdammt schnell, da ist das Loch aufgegangen", meinte Gall, der erklärte: "Wir haben 100 Prozent gegeben, am Schlussanstieg das Tempo verschärft, das war richtig. Auch Skjelmose hatten wir abgehängt, aber er kam auf der Abfahrt zurück."
Die flacheren Etappen am Freitag und Samstag sollten in der Gesamtwertung keine Auswirkungen haben, am Sonntag wird ein 25,7 km langes Einzelzeitfahren die Entscheidung bringen. Gall hatte beim Auftaktzeitfahren über 12,7 km 1:13 Minuten auf Evenepoel verloren, der Belgier gilt als Favorit im Kampf gegen die Uhr.