Festtagsstimmung mit Festtagswetter. Der Monte Lussari machte am Samstag seinem Ruf als Wallfahrtsort alle Ehre, seit Samstag auch als neues Mekka des ganz großen Radsports. Es gibt so namhafte Gipfel wie den Col du Tourmalet, den Col du Galibier, die Kehren hinauf nach L'Alpe d'Huez. Oder beim Giro eben ein Passo Pordoi, ein Monte Zoncolan, ein Stilfserjoch. Der Lussari reiht sich nun angemessen und formvollendet in dieses Lexikon der klassischen Bergwertungen.
Und die Entscheidung über Sieg und Niederlage ist dort auf den 18,6 Kilometern erwartungsgemäß auch gefallen: Geraint Thomas war mit einem Vorsprung von 26 Sekunden auf Primoz Roglic als letzter ins Zeitfahren gegangen. Es war spannend bis zum letzten Meter. 16 Sekunden hatte Roglic bei der zweiten Zwischenzeit schon wettgemacht. Ehe bei einer Straßenwelle seine Kette vom Rad sprang, der Mechaniker vom Motorrad dazusprang, Roglic eher behinderte. Dennoch pulverisierte Roglic die Bestzeit von Joao Almeida (45:05) mit 44:23.
Und da konnte Geraint Thomas einfach nicht mehr mithalten. Er kämpfte bis zum Schluss, Meter um Meter wehrte sich der Waliser gegen die Niederlage. Am Ende verlor er aber genau 40 Sekunden beim Zeitfahren, 14 Sekunden zuviel. Für Roglic schloss sich ausgerechnet in Tarvisio der Kreis seines sportlichen Werdegangs. Denn 2007 hatte er in Tarvisio Junioren-WM-Gold im Skispringen gewonnen.
Natürlich säumten die Tifosi und auch rot-weiß-rote Fans die steilen Rampen der neu betonierten Straße (7,3 Kilometer, 1000 m Höhendifferenz, 22 % maximale Steigung) vom Val Saisera hinauf zum Gipfel. Aber auch tausende Slowenen ließen es sich (auch manchmal grenzwertig) nicht nehmen, ihren Star, der Jumbo-Visma-Profi Primoz Roglic vielleicht doch noch in rosarote Führungstrikot zu tragen. Wobei Radsport-Fans, unabhängig der Provinienz, einfach jeden anfeuern, der noch am vorletzten Tag des so schweren Giro Kräfte für das Bergzeitfahren mobilisieren konnte.
Perfekte Dramaturgie
Gestartet wurde in gestürzter Reihenfolge: der Letzte des Gesamtklassements zuerst, der Erste, der Waliser Geraint Thomas, als Letzter. Jeweils in Blöcken mit kurzen Pausen dazwischen, um nich allzuviele Fahrer, die nach der Zielankunft sofort wieder mit der Seilbahn ins Tal fuhren, oben auf dem Gipfel zu haben. So war die Dramaturgie einfach perfekt.
Letztes Teilstück Rom
Per Charterflug wird der Giro-Tross nach Rom transferiert, wo am Pfingstsonntag die letzte Etappe über 135 Kilometer gefahren wird. Wie bei der Tour de France auf dem Champs Elsysee ist es natürlich eine Ehre, in Rom auf der Via dei Fori Imperiali zu gewinnen. Viele rechnen mit einem Erfolg von Mark Cavendish, der am Ende der Saison das Rad an den Nagel hängt. Aber auch die Italiener werden es sich nicht nehmen lassen, in der Hauptstadt einen Erfolg feiern zu können.