Der Giro d'Italia klettert immer höher und höher. Die berühmtesten Alpenpässe wurden schon erklommen: das Stilfserjoch, das Pordoijoch, freilich der Monte Zoncolan, Friauls Zauberberg des Radsports. Und auch der Großglockner wurde zweimal in der rosaroten Geschichte der Italienrundfahrt in den Etappenplan aufgenommen. Das erste Mal 1971, als die 17. Etappe in Tarvis gestartet wurde und auf der Franz-Josefs-Höhe mit einem Riesenskandal endete. Der gesamte Giro-Tross wurde in das damals im Bau befindliche Parkhaus dirigiert, es kam zu einem Riesenchaos, die Gendarmerie schlug, hilflos überfordert, auf alles ein, das sich nicht ordnungsgemäß bewegte. Mit "Prügelstaat" und "Hitler-Manieren" titelten damals die italienischen Zeitungen.
1973 lotste Norbert Steiner, der damalige Kärntner Landesradsportpräsident, unter Mithilfe des großen Francesco Moser mit dem Alpe-Adria-Schmäh und ein paar Millionen Lire den Giro zu einer kompletten Kärnten-Etappe mit Start und Ziel in Klagenfurt an den Wörthersee. Später war auch Tirol (Mayrhofen, Innsbruck) immer wieder Schauplatz von Giro-Etappen.
Osttirols Franz Theurl schnappte auch immer wieder zu, wenn sich der Giro auch nur in die Nähe von Lienz "wagte". 2011 ging es noch einmal auf den Glockner, diesmal friedlicher. Rund 200.000 Euro waren damals für einen Etappenort in die Giro-Kassen einzuzahlen. Derzeit wird's mit diesen Summen wohl nicht mehr reichen.
Dennoch rollt heuer die Grand Tour Italiens wieder ganz in die Nähe von Kärnten. Wieder ist Tarvis Etappenort. Und dieses 20. und vorletzte Teilstück am 27. Mai könnte auch die Entscheidung um den Gesamtsieg bringen. Denn es gilt für die Profis in einem Bergzeitfahren gegen die Uhr die steilen Rampen auf den Monte Lussari zu bewältigen. Der Start erfolgt auf der Piazza Unità in Tarvis, über Camporosso und Valbruna geht es flach bis zum Beginn der Steigung in Val Saisera. Rund acht Kilometer geht es steil bergauf, mit 30 Minuten wird kalkuliert. Die ehemalige Schotterstraße wurde extra für den Giro asphaltiert.
Um den Besucheransturm halbwegs gewachsen zu sein, wird derzeit schon ein Generalstabsplan ausgearbeitet. Von blockierten Straßen bis Transitsperren ist die Rede. Selbst die Seilbahn soll nur sehr limitiert genützt werden können. Um 11.30 Uhr wird jedenfalls der erste Radprofi auf die Reise Richtung Gipfelkreuz in 1766 Meter Seehöhe geschickt. Insgesamt sind innerhalb dieser acht Kilometer rund 1000 Höhenmeter zu bewältigen. Jedenfalls leuchtet die Region schon jetzt in der Giro-Farbe Rosa.
Neben dem Alpe-Adria-Gedanken geistert ja auch immer noch die Senza-Confini-Idee, der Plan gemeinsamer olympischer Winterspiele, in den sportbegeisterten Köpfen herum. Und davor ist auch der Giro d'Italia nicht gefeit. Die neueste Idee ist eine Art Dreiländer-Etappe. Mit Kärnten, Slowenien und Friaul, eventuell mit den Kehren des Wurzenpasses. Und am Ende mit der Bergankunft auf dem Lussari.