Wann würde Tadej Pogačar den Gesamtführenden Jonas Vingegaard angreifen? Drei Berge warteten bei der letzten Bergetappe der Tour de France auf das Peloton und allesamt waren Anstiege der höchsten Kategorie. Auf dem zweiten Berg der 18. Etappe wurde dann zum dramatischen Schauplatz des Kampfs um Gelb. Im Anstieg des Col de Spandelles lancierte Tadej Pogačar zahlreiche Attacken, wurde Jonas Vingegaard aber nicht los. Zumindest entledigte sich das dominante Duo der Tour sich aller anderen Kapitäne und auch Helfer.

In der Abfahrt heftete sich der Däne an das Hinterrad es slowenischen Berufsradfahrers und musste selbst einmal artistisch retten. Das Hinterrad verlor in einer Linkskurve den Bodenkontakt und Vingeggard musste mit einem Bein aus dem Pedal, um einen Sturz zu verhindern. Wenige Minuten später versteuerte dann Pogačar – er war in einer Kurve nicht auf der Ideallinie und kam auf das Bankett. Die Situation schien schon gerettet, doch rutschte das Velo beim Beschleunigen weg. Pogačar landete auf der linken Seite seines Körpers, das Rad rutschte in einen kleinen Graben.

Anstatt anzugreifen und seinem Verfolger den Rest zu geben, verhielt sich Vingegaard in dieser Situation wie ein Gentleman. Er wartet auf seinen Kontrahenten, an dessen Hinterrad er durch die Kurven gefahren ist. Pogačar reichte dem Dänen darauf hin als Zeichen des gegenseitigen Respekts die Hand und übernahm mit aufgeschundenem Oberschenkel die Führungsarbeit.

Am Ende der Abfahrt war das Feld der Favoriten allerdings wieder geschlossen. Auch Geraint Thomas fand wieder den Anschluss. Der Brite hat den dritten Platz im Gesamtklassement eingenommen und verteidigt diesen seit Tagen wacker. Im Tal angekommen wartete sogleich der finale lange Anstieg des Tages und der Tour: 13,5 Kilometer bei einer mittleren Steigung von 7,9 Prozent. Der Hautacam in den Pyrenäen ist der erklärte Lieblingsanstieg von Lance Armstrong und er liegt auch Vingegaard. Wout van Aert wartete als Ausreißer auf seinen Teamkollegen und forcierte noch einmal das Tempo. Zu viel für Pogačar. Im Stil eines echten Champions fuhr Vingegaard in Richtung Bergankunft, während Pogačar den Traum von seinem dritten Toursieg begraben musste. Es ist unwahrscheinlich, dass Vingegaard sich diesen Sieg noch nehmen lassen wird. Am Freitag sind die Sprinter an der Reihe und vor der Schlussetappe am Sonntag steht noch ein Einzelzeitfahren (Samstag) auf dem Programm.