Kopfsteinpflaster, Schotter, Berge über 2500 Meter Seehöhe und erstmals eine 18 Kilometer lange Brücke mit Seitenwindgarantie oder L'Alpe d'Huez am französischen Nationalfeiertag – die Tour de France bietet bei der 109. Auflage ab Freitag einiges. Als wären drei Wochen im Sattel nicht schon anstrengend genug. Der große Gejagte ist Titelverteidiger Tadej Pogačar (UAE). "Er ist der klare Favorit und er kann mit diesem Druck auch umgehen", sagt Michael Gogl. Der Oberösterreicher wird in Diensten von Fenix Alpecin die Tour der Leiden in Angriff nehmen. „Das wird meine fünfte Tour und ich freue mich schon richtig. Man weiß nie, was da auf einen zukommt und darum habe ich vor diesem Rennen immer großen Respekt. Es ist einfach immer hart“, sagt er, „Ein, zwei schlechte Tage hat man in den drei Wochen meistens. Wenn die am falschen Datum sind, dann wird es richtig schlimm.“
Dramaturgischer Höhepunkt im Duell um das Gelbe Trikot wird das Hochgebirge. Vier Tage geht es in den Alpen und zwei in den Pyrenäen hoch hinaus. Der Blick auf die Streckenprofile schockt Gogl nicht. „Ich weiß, dass mein Level dafür gut genug ist und die Stimmung ist in den Bergen einfach ganz was Besonderes.“ Ein Leckerbissen wird etwa die zwölfte Etappe von Briançon nach L'Alpe d'Huez. Auf dem Weg zu den „21 Kehren des Teufels“ warten der Col du Galibier (2619 m), der Col du Télégraphe (1552), sowie der Col de la Croix de Fer (2068 m). „Dieser Anstieg nach L'Alpe d'Huez ist so geschichtsträchtig. Da hinaufzufahren ist schon das höchste, was es von der Stimmung her im Radsport gibt“, sagt Gogl. Die Berufsradfahrer schlängeln sich da durch das Spalier von hunderttausenden frenetischen und feierlaunigen Fans. „Das kann sehr gefährlich werden, vor allem, wenn es um was geht. Man ist da schon angespannt“, sagt Gogl, „wenn ich solche Szenen selbst im Fernsehen live sehe, bin ich noch nervöser als auf dem Rad.“
"MvdP" legt im Bus auf
Star von Gogls Mannschaft ist unbestritten Mathieu van der Poel. Unbekümmert, frech hat er sich mit seiner Kraft in die Herzen der Fans und zu zahlreichen großen Siegen geradelt. „Er ist ein Urviech, er wird einfach nicht müde. Mit ihm Rennen zu fahren, ist eine coole Geschichte. Er ist tiefenentspannt und strahlt immer Ruhe aus“, sagt Gogl und lacht, „aber man muss als Helfer liefern, um Mathieu in einer Rampe in Position zu bringen – diesen Job hätten viele gerne.“ Starallüren hat der 27-Niederländer nicht. „Er bedankt sich nach den Rennen immer für unsere Arbeit“, sagt Gogl.
Den Pizza-Geschmack von „MvdP“ teilt der Oberösterreicher aber nicht zu 100 Prozent, bleibt aber diplomatisch. „Eine Ananas auf einer Pizza kann man bestellen ... muss man aber nicht.“ Bei allem Teamgedanken gibt Van der Poel eines aber nicht aus der Hand: Die Musikauswahl im Bus, er mutiert er zum Hardcore-DJ. „Vor allem laut“, sagt Gogl und lacht, „aber ich habe mir sehr gute Noise-Cancelling-Kopfhörer gekauft, falls es mir zu viel wird.“
Die Taktik des Teams ist klar auf Van der Poel ausgerichtet, der schon im Vorjahr „Gelb“ getragen hat. „Unser Team ist sehr berechnend und hat für jede Etappe einen Plan.“ In den ersten Tagen sollen Etappensiege durch den Star oder durch Sprinter Jasper Philipsen her. Wenn das geschafft ist, kann Gogl in den Bergen auch mit dem Sprung in eine Fluchtgruppe liebäugeln.
Die Jagd nach prestigeträchtigen Bergetappensiegen wird heuer aber nicht einfach. Angesichts von Pogačars Übermacht haben einige Top-Fahrer ihre Ambitionen im Gesamtklassement auf Eis gelegt. So haben etwa Thibaut Pinot (FDJ), Simon Yates (BikeExchange), Romain Bardet (DSM) bereits angekündigt, das Bergtrikot zu attackieren und Etappen abschießen zu wollen.