Patrick Konrad hat in Saint-Gaudens ein Stück österreichische Radsportgeschichte geschrieben. Der gebürtige Niederösterreicher sicherte sich nach 169 Kilometern und vier Bergen die 16. Etappe der 108. Tour de France. "Ich habe gewusst, ich habe die Beine, ich habe die Form und ich habe das Talent, dass ich so etwas gewinnen kann", sagte der 29-Jährige im Süden Frankreichs. "Ich bin mit dem Ziel eines Etappensiegs hergekommen und war schon einmal ganz knapp dran. Dass mir das heute gelungen ist, macht mich sehr stolz. Es war ein Befreiungsschlag."
Damit hat sich der Berufsradfahrer der deutschen Equipe Bora-Hansgrohe als dritter Österreicher in die Siegerliste des bedeutendsten Radrennens der Welt eingetragen, insgesamt war es der fünfte Etappen-Erfolg in Rot-Weiß-Rot. 1931 sicherte sich Max Bulla (Isoles) drei Teilstücke der 25. Landesrundfahrt und 2005 jubelte Georg Totschnig (Gerolsteiner).
Konrad war damals 14 Jahre alt und schon da "hat Patrick von einem Etappensieg bei der Tour de France geträumt und nur davon gesprochen", erzählt sein Vater Wolfgang Konrad. "Bislang hat ihm die Tour noch nicht viel Glück gebracht. Für ihn war es ein Befreiungsschlag, denn oft hat ihm das Quäntchen Glück gefehlt." Vor zwei Jahren schleppte er sich mit zwei gebrochenen Rippen als 35. ins Ziel. "Der Sieg ist für meine Familie, meine Freunde und alle, die an mich geglaubt haben. Auch für mein Team Bora-Hansgrohe, das immer das Vertrauen geschenkt hat. Dafür bin ich ihnen wirklich dankbar."
Auf der zweiten von vier Bergwertungen nahm sich Konrad zum ersten Mal ein Herz. Im Anstieg des Col de la Core fuhr er aus der zweiten Gruppe heraus zu den führenden Fabien Doubey und Jan Bakelants – da waren es noch 71 Kilometer bis ins Ziel. "Ich habe heute das Glück erzwungen und es mit der Brechstange gemacht. Als ich die 50 Sekunden zu den Führenden zugefahren bin, war ich total ruhig und habe mir schon gesagt: Patrick, du bist heute der, der gewinnt. Es geht gar nicht anders. Du gewinnst heute." Der Wahl-Burgenländer war nicht zum ersten Mal bei dieser Tour auf der Flucht und nach dem zweiten Platz in Quillan (14. Etappe) war er heiß. "Ich habe mir schon nach meinem zweiten Platz gedacht: Wenn ich noch ein Mal in diese Situation komme, greife ich als Erster an."
Der Col de Portet-d’Aspet sollte dann zum Schicksalsberg von Konrad werden. 36 Kilometer vor dem Ende beschleunigte er und schüttelte die Gefährten ab. "Ich bin dann einfach losgefahren und habe mir gedacht, dass ich jetzt mein Rennen bestreite." Gut eine Minute hinter ihm versuchten es dann neun Profis rund um den italienischen Meister Sonny Colbrelli, den Österreicher noch zu stellen. Doch der wehrte sich und saß tief auf seiner Specialized-Maschine. Es war übrigens der siebente Etappensieg für die Radschmiede aus dem kalifornischen Morgan Hill. "Ich war selbst schon in der Situation und es ist einfach brutal hart, wenn du nur zehn Sekunden zufahren musst. Und ich habe mir nur gedacht, wenn ich einmal eine halbe Minute oder eine Minute Vorsprung habe und meinen Rhythmus gehe, kann sich das ausgehen." Es ist sich ausgegangen und Konrad hatte auch noch genug Zeit zum Jubeln. 42 Sekunden betrug sein Vorsprung auf die Jäger im Ziel.
Hinter dem Zielstrich wartete Bernhard Eisel und freute sich mit ihm. "Es gibt nichts Größeres und die Motivation, die danach kommt, ist noch einmal größer. ,Koni‘ war schon so oft knapp dabei. Das ist wirklich eine riesengroße Genugtuung." Über einen Fakt war aber auch Eisel, der bei der Tour de France als Experte für Eurosport im Einsatz ist, schwer erstaunt: Nämlich, dass es wahrhaftig der erste Profisieg Konrads außerhalb von Österreich war. Umso süßer schmeckt dieser Erfolg des zweifachen Staatsmeisters. "Es kommt ja auch noch dazu, dass sein Vertrag heuer ausläuft", sagt der Ex-Profi. "Mit einem Etappensieg kann man da ganz bestimmt leichter verhandeln."
In Gelb ist weiterhin Tadej Pogacar. Der Slowene und auch Konrad können ihre Erfolge aber nicht auskosten, denn Krawall ist auch heute in den Pyrenäen vorprogrammiert. Auf den 179 Kilometern von Muret nach St. Lary warten zwei Berge der ersten Kategorie und einer der Ehren-Kategorie.