Der Monte Zoncolan ist einer jener Berge, den man nicht vergisst, wenn man ihn einmal erklommen hat. Einer, für den das im Radsport gern verwendete Verb "klettern" erfunden worden sein könnte. Und einer, der selbst bei den besten Radsportlern dieses Planeten Spuren stundenlanger Tortur im Gesicht hinterlässt. Zum siebenten Mal in der Geschichte des Giro d'Italia und zum ersten Mal seit 2018 wird der Berg, der für viele als einer der schwersten im Radrennsport angesehen wird, heute wieder angefahren.
205 Kilometer und 3700 Höhenmeter führen heute von Cittadella auf den Berg, den die beiden Österreicher, die den Giro bestreiten, bestens kennen. "Ich weiß noch genau, wann ich ihn zum ersten Mal gefahren bin. Das war beim Training bei den Junioren und ich hab Vollgas gegeben. Dort sind Tafeln aufgestellt, die die Kilometer anzeigen - und mir hat's beim ersten schon den Stecker gezogen", sagt Felix Großschartner und lacht. "Du musst den ganzen Tag Körner sparen, du darfst da wirklich nichts sinnlos verschießen", sagt der Oberösterreicher im Trikot des deutschen Teams Bora-hansgrohe.
Matthias Brändle (Israel Start-Up Nation) hat den Berg bei seiner Giro-Feuertaufe im Jahr 2010 erklommen. Obwohl es elf Jahre her ist, scheint er die Anstrengung noch zu spüren: "Ich erinnere mich gut daran. Dort sind so unfassbar steile Stellen dabei, das war unglaublich. Heuer sind nur die letzten drei Kilometer richtig steil, da haben wir es ein wenig leichter", erzählt der Vorarlberger. Mit der Betonung auf "ein wenig". Die gute Nachricht ist: Die Strecke führt diesmal nicht über die gefürchtete Westauffahrt, stattdessen fahren die Profis den Berg von Sutrio, der Ostseite, aus an. Die schlechte: Die letzten drei der 205 Kilometer könnten trotzdem für viele die zähsten des gesamten Giro werden: Im Schnitt warten 13 Prozent, im schlimmsten Fall 23 Prozent Steigung.
Der Berg der Karnischen Alpen befindet sich rund zehn Kilometer Luftlinie von der Kärntner Grenze entfernt in der Region Friaul-Julisch Venetien – näher kommt die Tour an Österreich nicht mehr heran. Gewinnen kann man die Tour heute noch nicht, dafür aber verlieren: Wer den Fehler macht und sein Pulver früh verschießt, der kann im Gesamtklassement viele Minuten einbüßen.
Nicht nur für die gnadenlosen Steigungen ist der Zoncolan berühmt, auch für seine italienischen "Tifosi". Die Fans verwandeln ihn unter normalen Umständen in einen Hexenkessel. "Als ich da raufgefahren bin, habe ich ein paar Mal gar nicht treten müssen. Sie haben mich einfach angeschoben", erinnert sich Brändle. Auf diesen Service wird der 31-Jährige diesmal verzichten müssen, aber immerhin 3000 Fans werden kontrolliert auf den Berg gelassen. Und das treibt ihn auch an: "Endlich sind Fans wieder zugelassen. Die Stimmung ist zurück an der Rennstrecke, das macht den Radsport einfach aus."