In Frankreich wächst die Angst vor einer zweiten Coronawelle: Innerhalb von 24 Stunden wurden fast 4800 Neuansteckungen registriert. Das ist der höchste Stand seit Ende des Lockdowns im Mai. Besonders betroffen sind Paris sowie die Regionen um die Mittelmeerstädte Marseille und Nizza.
Trotzdem wird am Samstag die 107. Auflage der Tour de France gestartet, ausgerechnet in Nizza. Der deutsche Pharmakologe Fritz Sörgel hält die Austragung der Tour de France mit Zuschauern am Straßenrand angesichts der Coronavirus-Pandemie für unverantwortlich. „Die Hygienebedingungen sind da nicht einzuhalten. Wenn sich die Situation in Frankreich weiter verschlechtert, und es wird jetzt täglich schlechter, dann kann man es nicht zulassen“, sagte Sörgel.
„Superspreader drohen überall, und bei zehn bis zwölf Millionen Zuschauern, dazu muss man kein Statistiker sein, wird es passieren.“
Falls nicht, falls alles in den abgesteckten Bahnen abläuft, wird diesmal eher mit einem offenen Rennen gerechnet. Das Rad-Team von David Brailsford hat unter den Namen Sky und Ineos zuletzt in sieben von acht Jahren den Sieger der Tour de France gestellt. Bei der 107. Auflage sehen sich die Dominatoren aber enorm starker Konkurrenz gegenüber.
Die Profis des Jumbo-Rennstalls, allen voran Vuelta-Sieger Primoz Roglic, übertrumpften zuletzt sogar Tour-Titelverteidiger Egan Bernal. Angesichts der jüngsten Dominanz des Jumbo-Teams, das Attacken anderer Fahrer im Keim erstickte, sprach der Australier Richie Porte von den Gelb-Schwarzen als „Killerwespen“. „Sie fahren in einer eigenen Liga“, meinte ÖRV-Profi Michael Gogl (Team NTT), der als einer von fünf Österreichern bei der „Tour der Leiden“ antritt. Doch die Tour dauert drei Wochen – manche glauben, die für die Konkurrenz beängstigende Top-Form der Jumbo-Fahrer, die vor dem Neustart ein Trainingslager im Zillertal absolviert hatten, käme zu früh.
Zeit zum Einrollen gibt es im Grunde nicht. Weil die Tour schon am zweiten Tag in die Berge rollt. Die Vorbereitung Emanuel Buchmanns, des Vorjahresvierten aus dem Bora-Rennstall mit den Österreichern Gregor Mühlberger (fährt nach Bruch in der Handwurzel mit Spezialschiene), Felix Großschartner und Lukas Pöstlberger, hatte zuletzt unter Sturzfolgen gelitten. „Es gibt viele Fragezeichen“, sagte der Deutsche, der vor den Blessuren aus dem Dauphine-Criterium das Podest als Ziel genannt hatte.
Bei dieser Generalprobe hatte sogar Bernal klein beigeben müssen. Der Kolumbianer, der im Vorjahr die Nachfolge von Bradley Wiggins (2012) sowie des wegen Formschwäche diesmal fehlenden Chris Froome (2013/15/16/17) und von Geraint Thomas (2018) angetreten hatte, stieg dort vorzeitig ab. Vorzeitig beendet könnte diesmal die gesamte Tour werden.