Blutdoping bei der Nordischen Ski-WM, Festnahme von zwei österreichischen Skilangläufern! Diese Nachricht schreckte am 27. Februar des Vorjahres die Sportwelt auf. In der "Operation Aderlass" deutscher und österreichischer Behörden erfolgten neun Festnahmen und 16 Hausdurchsuchungen. In Gewahrsam kamen der als Kopf eines Netzwerks geltende Erfurter Arzt Mark S. und in Seefeld fünf Skilangläufer.
Intensiviert hatte die Ermittlungen, die zu der konzertierten Aktion in Erfurt und Seefeld führten, der österreichische Skilangläufer Johannes Dürr mit einem Interview in der ARD-TV-Sendung "Die Gier nach Gold - Der Weg in die Dopingfalle". Wegen diverser Verdachtsfälle waren die Behörden schon seit Herbst 2018 informiert und aktiv. Der Zugriff erfolgte während der Nordischen Ski-WM und lieferte der Staatsanwaltschaft auch einen eindeutigen Beweis. Der ÖSV-Läufer Max Hauke wurde während einer Bluttransfusion überrascht und wie sein Teamkollege Dominik Baldauf wenige Stunden vor einem Renneinsatz festgenommen.
Mit dieser Aktion zeigte sich neuerlich, dass die Überführung dopender Athleten und Athletinnen und deren Hintermänner mit Hilfe der staatlichen Behörden effektiver ist. Denn die von der Nationalen Anti-Doping-Agentur Austria nach den Festnahmen durchgeführten Kontrollen waren bei den Betroffenen durchwegs negativ. NADA-Geschäftsführer Michael Cepic bezeichnete diese Kooperation mit staatlichen Stellen am Dienstag in Wien denn auch als eine der wichtigsten Erkenntnisse aus der Causa Seefeld.
Netzwerk "höchst professionell" aufgezogen
"Ohne die Zusammenarbeit mit strafrechtlichen Ermittlungsorganen ist es sehr, sehr schwierig", erklärte Cepic. Denn das Netzwerk sei "höchst professionell" aufgezogen gewesen, quasi ein organisiertes Verbrechen. Die Ermittler hatten u.a. Observierungen und Telefonüberwachungen eingesetzt. Er würde sich wünschen, dass das österreichische System der Kooperation zwischen NADA und Ermittlungsbehörden europaweit als Standard festgelegt würde, sagte der NADA-Geschäftsführer in Richtung Politik.
Dieser Blutdopingskandal habe zudem zu einer Anpassung der Kontrollen geführt. "Früher wurde die Konzentrationsphase der Sportler respektiert. Diese haben aber genau dieses Zeitfenster kurz vor dem Bewerb genutzt, daher gibt es jetzt auch noch ein bis zwei Stunden vor dem Bewerb Kontrollen", betonte Cepic.
Über deren Wirksamkeit lässt sich freilich diskutieren. Die nach Bluttransfusionen erhöhten Werte von Erythrozyten und Hämoglobin im biologischen Pass machen erst nach langwierigen Gutachten von drei Experten die Einleitung von Verfahren möglich. Weltweit gab es laut NADA davon aufgrund auffälliger Blutwerte bisher 120, in Österreich gab es noch keine Verurteilung. Selbst der Nachweis von Plastikteilchen im Blut (von den Blutbeuteln) würde laut Cepic in einem Verfahren nicht als Beweis halten.
Neun sportrechtliche Verfahren
Ein Jahr nach der "Operation Aderlass" hat die NADA in diesem Fall neun sportrechtliche Verfahren - unter anderem lebenslange Sperre von Johannes Dürr, acht Jahre für einen Betreuer, je vier Jahre für Hauke und Baldauf sowie die Radprofis Georg Preidler und Stefan Denifl - bereits abgeschlossen. Eine Sanktion ist noch nicht rechtskräftig. Die Standardstrafe beträgt vier Jahre.
Strafrechtlich sind vier Gerichtsverfahren in Österreich beendet, etwa 15 Anklagen sind bisher bekannt. Dürr erhielt 15 Monate bedingte Haft und muss einen Verfall von 52.000 Euro an den Staat zahlen, Ex-Trainer Gerald Heigl erhielt zwölf Monate bedingt, die Mountainbikerin Christina Kollmann-Forstner eine mehrmonatige bedingte Strafe, auch ein Beitragstäter wurde sanktioniert. Die Urteile summieren sich auf 40 Monate bedingte Haftstrafen wegen Sportbetrugs, Handel mit Dopingsubstanzen und Beihilfe.
Der Arzt Mark S. sitzt weiterhin in Untersuchungshaft, die federführende Antidoping-Staatsanwaltschaft München II fordert wegen Blutdopings sowie gewerbsmäßigen und teilweise bandenmäßigen Vorgehens eine mehrjährige Haftstrafe. Auch vier Komplizen erwartet ein Verfahren. Gegen insgesamt rund 50 Beschuldigte in neun Ländern wurde in diesem Fall ermittelt, nur rund die Hälfte von ihnen sind Sportler.
Doch auch in Österreich ist der Fall wohl noch nicht ausgestanden. Im Prozess gegen Walter Mayer wegen Dopings und Beitrags zum Sportbetrug beschuldigte Dürr den Ex-ÖSV-Trainer, an ihm Blutdoping vorgenommen zu haben. Cepic erwartet, das sich weitere Fälle ergeben. "Was sich aus den Zeugenaussagen strafrechtlich noch ergibt, wird abzuwarten sein. Ich nehme an, dass noch einiges kommt."