Im Ziel hoch oben auf dem Col de la Couillole riss Tadej Pogačar die rechte Hand in die Höhe und streckte die fünf Finger weg. Es war sein fünfter Etappensieg bei dieser französischen Landesrundfahrt und ein weiterer Zeuge seiner Dominanz. Mit 25 Jahren hält er bei insgesamt 15 Etappensiegen – mehr gelangen bislang nur elf Fahrern. Als Mark Cavendish auf der fünften Etappe den Rekord mit 35 Siegen aufgestellt hat, sagte der Brite noch: „Schlag ihn nicht.“ Der Slowene antwortete lachend: „Nein, das werde ich nicht. Keine Sorgen.“ Cavendish sollte sich wohl welche machen.
Kurz nach ihm rollte Titelverteidiger Jonas Vingegaard (Visma) ein, der Zweite des Gesamtklassements ein. Der Däne hatte auf den letzten Metern auf ein wenig Mitleid von Pogačar gehofft. „Ein klein wenig hatte ich die Hoffnung, dass er mir den Sieg überlässt. Ich wusste, dass ich im Sprint keine Chance haben würde, da ich schon am Limit war“, sagte Vingegaard. Sauer war er keineswegs: „Wahrscheinlich hätte ich dasselbe getan.“
Vingegaard parierte und konterte einen Angriff von Remco Evenepoel (Quick Step) erfolgreich, der am Schlusstag zwar seine Zeitfahrqualitäten ausspielen kann, damit den Rückstand auf Vingegaard aber wohl nicht wettmachen kann. 3:10 Minuten sind bei dem durchaus schwierigen Zeitfahren nach Nizza über 33,7 Kilometer wohl zu viel. Die Startrampe steht unweit von Pogačars Domizil in Monte-Carlo, der sich nach 2020 und 2021 zum dritten Mal den Toursieg abholen wird.
Carapaz sicherte sich die Bergwertung
Der Slowene wird nach dem Giro höchstwahrscheinlich auch die Tour gewinnen – es wäre ein historisches Double: Zuletzt gelang dies der bereits verstorbenen Ikone Marco Pantani 1998. Ein Antreten bei der Vuelta schließt Pogačar aber aus. Er greift wohl eher nach Gold bei Olympia und der WM in Zürich. Für das einstige Wunderkind Evenepoel (24), den Sieger der Vuelta 2022, ist Platz drei aber definitiv eine gelungene Tour-Premiere. Er ist der erste Belgier seit Jurgen Van den Broeck (3. Platz 2010), der in der Endabrechnung der Tour auf dem Podestplatz liegt. Van den Broeck wurde allerdings erst später in die Liste gehoben, nachdem Alberto Contador (1.) und Denis Menchov (3.) aus der Liste gestrichen wurden.
Einen feinen Erfolg fuhr Richard Carapaz (EF Education) ein. Er wurde nach einem Tag in der Fluchtgruppe im Finale zwar von Pogačar und Vingegaard überholt, sicherte sich aber die Bergwertung und fährt heute mit dem gepunkteten Anzug in Nizza ein.
Nicht minder bitter als der Vortag endete auch der letzte in den Alpen für Felix Gall. Der Osttiroler versuchte es zwar, in die Ausreißergruppe zu kommen, doch das gelang nicht. Er kam 7:11 Minuten (26.) nach dem Sieger ins Ziel, verbesserte sich damit im „GC“ um eine Position und liegt nun auf dem 13. Rang.