Passiert ist im Gesamtklassement nicht viel – und dennoch hatte es die elfte Etappe, die mit dem Ziel im französischen Zentralmassiv die fünftschwierigste an Höhenmetern bei dieser Auflage ist, wirklich in sich. Mit insgesamt sechs Bergwertungen wurde es zu einem Tag für die großen Favoriten auf den Gesamtsieg und die Konzentration von vier Gipfeln in den letzten 40 Kilometern setzte auch den Besten zu. Dass er zur absoluten Spitze zählt, zeigte Jonas Vingegaard dabei eindrucksvoll.
Vier Monate nach seinem schweren Sturz bei der Baskenlandrundfahrt, bei der er sich multiple Brüche und auch eine Lungenquetschung zugezogen hatte, parierte er nicht nur eine starke Attacke des Gesamtführenden, dem Slowenen Tadej Pogačar (UAE), sondern rang ihn auch im Sprint von Le Lioran nach 211 Kilometern nieder. „Das hätte ich ohne meine Familie nicht geschafft. Dieser Sieg bedeutet mir sehr viel und er ist für sie“, sagte Vingegaard mit den Tränen kämpfend im Ziel. Die vergangenen Monate waren ein harter Weg zurück, an dem er die Öffentlichkeit nicht teilnehmen ließ. Niemand wusste, ob er fähig sei, den Vorjahressieg zu verteidigen.
Konsequente Arbeit
Er ist es. Das bestätigte sein konsequentes Arbeiten nach der erfolgreichen Attacke seines Widersachers. Auf dem Puy Mary Pas de Peyrol, einem Berg der ersten Kategorie, zog Pogačar unwiderstehlich und leichtbeinig davon. Es schien entschieden, doch der Däne ließ nicht ab. Er fuhr mit Remco Evenepoel (Soudal) und Primož Roglič (Red Bull), der später zu Sturz kam, nach und entledigte sich ihrer. „Ich konnte seiner Attacke nicht folgen und musste kämpfen“, sagte Vingegaard, „ich habe mir nicht gedacht, dass ich das noch schaffe.“ 14 Kilometer vor dem Ziel schloss er auf und gewann den Sprint von vorne. „Das hätte ich mir vor drei Monaten nicht erwartet.“ Damals gab er sich im Krankenhaus ein Versprechen. „Es war so schlimm, dass ich befürchtete, ich würde sterben. Als ich dort am Boden lag, habe ich gedacht: Wenn ich das hier überlebe, dann höre ich mit dem Radfahren auf.“ Das tat er nicht und arbeitete sich zurück.
Pogačar führt weiterhin vor Evenepoel (+1:06), Vingegaard (1:14) und Roglič (+2:15). Der Osttiroler Felix Gall kam auf dem elften Teilstück solo mit einem Rückstand von 2:38 Minuten (10.) ins Ziel und verbesserte sich damit Gesamtklassement um drei Plätze (13.)