Als erste Frau übersprang Stabhochspringerin Jelena Isinbajewa die Fünf-Meter-Marke. Die Russin gewann auf der sportlichen Bühne alles, was es zu gewinnen gibt - am Freitag gab sie ihr Karriereende bekannt. Dem Sport jedoch bleibt sie weiter erhalten: Nach dem Doping-Skandal um ihr Heimatland will die 34-Jährige um die Reputation Russlands im Sport kämpfen.
"Heute, am 19. August 2016 in Rio de Janeiro, beendet Jelena Isinbajewa ihre professionelle Karriere", erklärte die Russin staatstragend am Freitag am Rande der Olympischen Spiele. Die Laufbahn als eine der bekanntesten Athletinnen der Welt beendete sie mit großer Zufriedenheit. "Ich bin glücklich, meine Träume erfüllt zu haben", resümierte sie. "Ich habe alle möglichen Medaillen und Titel und weltweit das Vertrauen der Fans gewonnen."
Dem Sport sagt sie nicht "goodbye". Denn anstelle der Höhenflüge will die Olympiasiegerin von 2004 und 2008 zukünftig für die Rechte der Sportler und vor allem um die Rehabilitierung des russischen Sports kämpfen, der durch das enthüllte Staatsdoping in Misskredit geraten ist. Isinbajewa, die selbst wegen des Ausschlusses der Leichtathleten Russlands durch den Weltverband IAAF nicht in Rio starten darf, hält den Bann und die Vorwürfe für unfair und falsch. "Alle Anschuldigungen basieren auf Vermutungen, nichts ist nachgewiesen. Ich will mehr Fakten sehen."
Ihre Rücktrittsankündigung nutzte sie mitten im olympischen Geschehen einmal mehr, um gegen diese Ungerechtigkeit zu wettern und sich als Opfer der IAAF-Willkür darzustellen. "Ich bin eine saubere Athletin", bekräftigte Isinbajewa. Bevor sie nach Rio abgeflogen sei, habe sie niemals vergeben wollen, "auf diese Weise" von den Spielen verbannt zu sein. Nach der Ankunft habe die dreifache Freiluft-Weltmeisterin ihre Meinung über die IAAF und Präsident Sebastian Coe geändert: "Das war unfair. Aber ich vergebe ihnen. Gott wird ihr Richter sein."
Dass sie beim Stabhochsprung-Medaillenkampf am Freitag in Rio nicht teilnehmen durfte, schmerzt sie weiter zutiefst. "Ich denke, die Siegerin wird fühlen, dass sie nicht das ganze Gold gewonnen hat, wenn Isinbajewa nicht am Start war", erklärte die Ausnahmespringerin mit großer Bitterkeit. "Ich habe vor Rio mit meinem Coach über eine Höhe von 5,10 Metern gesprochen, die ich springen könnte."
Erst am Donnerstag wurde Isinbajewa in die Athletenkommission des Internationalen Olympischen Komitees gewählt. Die IAAF nahm ihre Wahl zur Kenntnis, scheint aber Distanz zur nunmehrigen Ex-Sportlerin zu halten. "Kein Mitglied der IAAF hat mir gratuliert", berichtete Isinbajewa, die mit der viertbesten Stimmenzahl ins IOC einzog. "Athleten aus aller Welt haben mich gewählt. Das ist ein großer Sieg und eine große Ehre für mich." Ob auch Russlands Präsident Wladimir Putin zu den Gratulanten gehörte, verriet sie nicht: "Das bleibt ein Geheimnis."
Nach der Rückkehr nach Russland will Isinbajewa entscheiden, ob sie die Führung des nationalen Leichtathletik-Verbandes übernehmen wird. "Es ist interessant, aber auch ein sehr ernsthafte Herausforderung. Wir werden über meine zukünftige Rolle sprechen", sagte sie und fügte - gewohnt selbstbewusst - hinzu: "Ich denke, dass ich dazu fähig bin, den Verband wieder international einzubinden."