Brasiliens Fußball-Team bekommt am Samstag (22.30 Uhr MESZ) im Olympia-Finale in Rio de Janeiro seine Revanche gegen Deutschland. Für Superstar Neymar und seine Kollegen zählt nur der Sieg, hat doch der Rekordweltmeister bisher noch nie Olympia-Gold im Fußball gewonnen. Die "Selecao" kämpf im Endspiel aber nicht nur gegen die Deutschen, sondern auch gegen die alten Geister.
Am Finalschauplatz Maracana erlebte Brasilien im entscheidenden Match um den WM-Titel 1950 eine bittere 1:2-Niederlage gegen Uruguay. Diese brannte sich als kollektives Trauma tief in die Fußballseele des Gastgeberlandes, das 64 Jahre später bei der zweiten Heim-WM in ein noch tieferes Tal der Tränen gestürzt wurde. Im Halbfinale 2014 schlitterten die Brasilianer in Belo Horizonte in ein 1:7-Debakel gegen den späteren Weltmeister Deutschland.
Seit jenem 8. Juli 2014 ist Brasiliens fußballerische Ehre schwerst ramponiert. Die einzige Therapie dagegen ist der Sieg im Olympia-Finale bei den Heim-Spielen. "Die Leute wollen Gold", weiß auch Angreifer Gabriel Jesus um die riesige Erwartungshaltung seiner Landsleute. "Die Stimmung im Stadion wird besonders sein wegen dem, was bei der WM passiert ist", betonte Tormann Weverton. "Aber wir dürfen uns nicht davon ablenken lassen. Wir müssen an die Goldmedaille denken."
Schon beim 6:0-Triumph im Halbfinale gegen Honduras war das Maracana fast ausverkauft, die Stimmung aufgeladen. Gegen die Deutschen wird der legendäre "Fußball-Tempel" in Rio am Samstag ganz sicher restlos gefüllt sein. Ob das für die Brasilianer ein Vor- oder Nachteil sein wird, hängt vom Spielverlauf ab.
Riesiger Druck
Schon jetzt ist der Druck auf die jungen Spieler von Trainer Rogerio Micale riesig. Wie sehr der Heimvorteil auch zum Nachteil werden kann, hat die Gruppenphase gezeigt. Mit zwei torlosen Unentschieden gegen Südafrika und Irak war Brasilien ins Turnier gestartet, die Zuschauer hatten teilweise gepfiffen und ihr Team, das bei Olympia mit drei Ausnahmen aus U23-Spielern bestehen muss, gnadenlos ausgebuht.
Angelastet wurde dieser Stotterstart hauptsächlich Neymar. Der Kapitän redet seither nicht mehr öffentlich, dafür ist er auf dem Platz seit der K.o.-Phase immer stärker geworden. Für ihn ist die Revanche gegen Deutschland aus einem weiteren Grund besonders. Der Angreifer des FC Barcelona hatte das WM-Halbfinale 2014 wegen einer Verletzung verpasst. Im Endspiel am Sonntag will er deshalb beweisen, wie wertvoll er für die "Selecao" ist.
Monster Neymar
"Er ist ein Monster", sagt Micale über seinen wichtigsten Spieler. Umso beeindruckender ist aber die Ausgewogenheit der brasilianischen Offensive. Neymar, Gabriel Jesus und Luan haben alle bereits drei Treffer erzielt. "Wir spielen gemeinsam, als Gruppe. Das ist der Grund, warum wir darauf hoffen können, uns diesen großen Traum zu erfüllen", erklärte Micale.
Ein anderer Grund ist die erstaunlich solide Defensive, die während des Turniers noch kein einziges Gegentor kassiert hat. Vielleicht könnte das der Schlüssel zum ersten großen Titel seit 2007 sein. Damals hatte Brasilien die Copa America gewonnen. Heuer schied Brasilien bei der Copa in den USA bereits in der Gruppenphase aus. Brasilianische Medien schrieben danach von einer zweiten Schande.
Selke: "Spiel unseres Lebens"
Eine Finalniederlage am Samstag käme einer dritten gleich, das wissen auch die Deutschen. "Klar, die haben Druck. Ich glaube, dass das Land eine kleine Revanche für das 1:7 erwartet", sagte etwa Leipzig-Stürmer Davie Selke, der mit seinen Teamkollegen den ersten Olympiasieg für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) überhaupt holen will. 1976 in Montreal hatte die Auswahl der DDR Gold erobert. "Das wird das Spiel unseres Lebens", bemerkte Selke.
Sein Trainer Horst Hrubesch will auch gegen die Gastgeber an der taktischen Ausrichtung seines Teams nichts ändern. "Wir werden offensiv spielen. Wir werden das spielen, was wir im Turnier gezeigt haben. Wir können uns nicht hinten rein stellen", kündigte der 65-Jährige vor seinem letzten Spiel als Auswahltrainer an. Gleichzeitig verwies er auf die Qualitäten seines Angriffs: "Die haben 21 Tore geschossen, da sollte man auch mal drüber nachdenken."
Genießen
Und seine Spieler sollen die Partie einfach genießen, da sie mit dem Finaleinzug die Erwartungen bereits erfüllt haben. "Wir können nur noch etwas gewinnen. Wir haben jetzt schon alles gewonnen. Es muss einfach Spaß machen, aus dem Auswärtsspiel ein Heimspiel zu machen", meinte Hrubesch.
"Gegen Brasilien im Maracana zu spielen, diese Möglichkeit bietet sich jedem Fußballer nur einmal in der Karriere. Dann muss man es annehmen", unterstrich Kölns Tormann Timo Horn. Oder wie es Hrubesch ausdrückte: "In 40 Jahren erzählst du es deinen Enkelkindern."