Dem Internationalen Olympischen Komitee droht nach der Festnahme eines führenden Mitglieds wegen des Verdachts illegaler Ticketgeschäfte schwerer Imageschaden. Die Polizei nahm am Mittwoch den Iren Patrick Hickey, auch Präsident des Nationalen Olympischen Komitees, in einem Hotel in Rio de Janeiro fest.
Auf einer Pressekonferenz erklärten die Behörden, sie hätten Hinweise, dass der 71-jährige Hickey in Schwarzhandel mit Tickets verwickelt sei. Es seien belastende Emails gefunden worden. In einer ersten Reaktion gab sich das IOC zurückhaltend, kündigte aber volle Zusammenarbeit mit den Behörden an.
Der ehemalige Judoka Hickey ist seit 2012 Mitglied der IOC-Exekutive, der einflussreichen Führungsspitze, und zudem Präsident der wichtigen Vereinigung der Nationalen Olympischen Komitees Europas (EOC) sowie Vizechef der Vereinigung der Nationalen Olympischen Komitees (ANOC). Zumindest zeitweilig wolle er sämtliche Ämter ruhen lassen, teilte das Nationale Olympische Komitee Irlands mit.
Hickeys Olympia-Akkreditierung und ein Flugticket wurden nach Polizeiangaben beschlagnahmt. Wegen seines schlechten Gesundheitszustands kam er zunächst in ein Krankenhaus. Laut Polizei ist auf Basis neuer Beweise Untersuchungshaft angeordnet worden. Sollte sich der Verdacht erhärten, drohen ihm bis zu sieben Jahre Haft.
"Werden wir umfassend kooperieren"
Die Polizei vermutet, dass Hickey mit zwei an den illegalen Verkäufen beteiligten Firmen in Kontakt stehe. Eine davon habe der Firma THG Olympia-Tickets verschafft, die diese dann zu Wucherpreisen verkaufte, hieß es in der Pressekonferenz. Die Firma THG war aber nicht befugt, Tickets für die Rio-Spiele zu verkaufen, wie die Polizei betonte. Unter anderem seien Preise von 8.000 Dollar (rund 7.100 Euro) für ein Besuchspaket zur Eröffnungsfeier in Rio verlangt worden. Die Firma erklärte, die Vorwürfe entbehrten jeglicher Grundlage. Wie Hickey genau verwickelt ist, blieb zunächst unklar.
IOC-Sprecher Mark Adams sagte: "Wenn es denn eine Polizeiuntersuchung gibt, werden wir umfassend kooperieren." Das IOC oder Präsident Thomas Bach seien nicht vorab von den Behörden kontaktiert oder informiert worden. Bach wolle vor einem Kommentar abwarten, worum es in dem Fall überhaupt gehe. "Noch wissen wir nicht, was das für Anschuldigungen sind", erklärte Adams. In der Sache gehe es wohl um 1.000 Tickets für die Sommerspiele, die dem NOK Irlands gehörten. Das IOC habe volles Vertrauen in das brasilianische Rechtssystem. "Für jeden gilt die Unschuldsvermutung", betonte Adams.
Die Polizei war gegen 06.00 Uhr im Hotel aufgetaucht und traf zunächst nur Hickeys Frau im Zimmer an. Sie wollte den Beamten wohl nicht sagen, wo ihr Mann ist. Sie fanden den 71-Jährigen schließlich im benachbarten Zimmer seines Sohnes. Ein offensichtlich angeschlagener Hickey wurde dann auf Anraten des Hotelarztes in ein Krankenhaus gebracht, wo die Polizei ihn beaufsichtigt.
Soll geplant gewesen sein
Die Übergabe der Olympia-Tickets soll an mehrere Käufer in einem Hotel im Stadtteil Barra geplant gewesen sein, die Polizei habe das vereitelt, hieß es schon vorige Woche in einem Medienbericht. In Summe sollten demnach Tickets für Top-Events für umgerechnet bis zu 2,78 Millionen Euro (10 Millionen Reais) verkauft werden.
Die Polizei hatte im Zuge dieser Ermittlungen in Rio den aus Irland stammenden Chef der britischen Ticketfirma mit falschen Eintrittskarten ertappt und festgenommen. Eine Mitarbeiterin, die auch als Übersetzerin während der Olympischen Spiele arbeite, sei ebenfalls festgenommen worden. Die Firma soll bereits in einen Schwarzmarkt-Skandal bei der Fußball-WM 2014 in Brasilien verwickelt gewesen sein.