Herr Wiesberger, Sie sind Golfer, Golf ist erstmals olympisch. Welche Bedeutung haben die Spiele eigentlich für Sie?

WIESBERGER: Interessante Frage. Als Sportler im Allgemeinen ist es einer, wenn nicht der wichtigste Event, den man haben kann. Aber als Golfer ist der Zugang natürlich ein wenig anders. In unserer Generation – und auch in denen davor – konnten wir den olympischen Gedanken ja gar nicht verwirklichen, weil wir kein Teil davon waren.

Und Sie? Waren Sie sofort begeistert?

WIESBERGER: Sobald ich gehört habe, das Golf olympisch ist, dass ich Teil der österreichischen Mannschaft sein kann, war für mich klar, dass es ein Fixpunkt in diesem Jahr sein wird. Aber ich war ja selbst noch nie bei Spielen. Das ist ja ein Teil, auf den ich mich besonders freue, das Erlebnis an sich, die Eröffnungszeremonie, die anderen Sportarten. Das alles zu erleben, zu genießen.

Sie werden also auch im olympischen Dorf wohnen?

WIESBERGER: Ja, natürlich. Warum nicht?

Na ja, von Basketballern, auch Golfern, könnte man annehmen, dass sie sich mehr leisten, leisten können.

WIESBERGER: Also, als ich in den Golfsport gekommen bin, habe ich ja auch nicht in Fünf-Stern-Häusern gewohnt. Wir haben Appartements geteilt, selbst gekocht. Klar, das hat sich ein bisschen in die gemütliche Richtung entwickelt. Aber ehrlich: ich freue mich ja aufs Dorf, auf die Kommunikation mit anderen Sportlern. Zu sehen, was die so machen an einem Tag, wie sie trainieren. Und logistisch ist es ja auch einfacher, weil der Golfplatz ganz nahe am Dorf liegt. Ich werde mir ein Appartement mit meinem Caddy Shane und Niki Zitny, dem Sportdirektor des ÖGV, teilen.

Was bringt Ihnen Olympia eigentlich?

WIESBERGER: Also, man kann einmal Weltranglistenpunkte sammeln, das ist gut. Leider aber keine Punkte für die Ryder-Cup-Wertung. Aber man wird abwarten müssen, um zu sehen, was ein Olympiasieg wirklich bringt. Klar ist, dass es nicht so viel Preisgeld gibt wie bei einem Major, aber man muss das ja auch unter einem anderen Gesichtspunkt betrachten.

Nämlich unter welchem?

WIESBERGER: Man spielt bei diesem Turnier ja nicht nur für sich allein. Man spielt für sein Land, man vertritt Österreich. Und ich habe immer versucht, Österreich zu vertreten, egal ob als Profi oder Amateur. Ich habe immer bei allen Veranstaltungen gespielt, wenn es irgendwie möglich war. Nicht zuletzt deshalb habe ich ja Olympia als Ziel definiert. Obwohl. . .

Obwohl?

WIESBERGER: Na ja, am Anfang überlegt man ein bisschen. Es tun sich ja auch Probleme auf, etwa mit der Terminplanung. Und man muss offen und ehrlich sagen, dass manche sagen, dass sie sich das nicht antun wollen. Manche sagen, dass der Stellenwert nicht hoch genug ist, manche sehen das Risiko des Zika-Virus. Aber bei mir war es von Anfang an so, dass ich gesagt habe: Da will ich dabei sein, ich will mein Land vertreten.

Sie haben es selbst angesprochen. In kaum einer anderen Sportart gab es so viele Absagen wegen der Angst vor dem Zika-Virus. Haben Sie keine?

WIESBERGER: Klar redet man mit anderen Leuten, liest die Mails, die Updates, die wir bekommen. Mein Status ist, dass in Rio Winter ist während der Spiele, da gibt es nicht so viele Mücken. Und dann waren bisher Delegationen von 7000 Athleten, IOC-Komitee-Mitgliedern und und und in Rio. Es gab bisher keinen einzigen Zika-Fall. Das Risiko ist also da, aber gering. Ich werde natürlich Maßnahmen treffen, mich einsprühen. Aber für mich ist es kein Grund, nicht hinzufahren.

Im Gegensatz zu Rory McIlroy, mit dem sie etwa in Frankreich die Schlussrunde gespielt haben, vor den British Open eine Trainingsrunde. Redet man dann über so was?

WIESBERGER: Nein, habe ich nicht. Meines Wissen steht er kurz vor der Hochzeit. Und wir sind in einem Alter, wo man an Familienplanung denkt. Es ist zweifellos ein legitimer Grund, um das Turnier abzusagen.

Das klingt nicht sehr überzeugend. . .

WIESBERGER: Na ja, man kann diesen Grund natürlich auch angeben, um nicht so schlecht dazustehen. Aber grundsätzlich gilt ohnehin: Im Golf kannst du niemand zwingen, zu spielen, das hat noch nie funktioniert. Wir sind in der glücklichen Lage, genug große Turniere zu haben. Ich kann es verstehen, wenn einer sagt, dass das nicht sein Turnier ist. Ich fahre dorthin, um Österreich zu vertreten. Und dazu kommt: Wenn ich nicht fahre, ist kein Österreicher dabei. Nicht so wie in den USA oder Südafrika, wo es so viel Gute gibt, dass einfach der nächste in der Liste nachrückt.

Ist das aber für die olympische Golf-Zukunft nicht kontraproduktiv?

WIESBERGER: Hilfreich ist es nicht, wenn die Guten beim ersten Mal nicht da sind, das ist klar. Ich weiß aber nicht, wie das bei anderen Sportarten ist. Man muss unterschieden, so wie ich gesagt habe: Im Gold und im Tennis haben wir viele Turniere, in anderen Sportarten ist Olympia das einzige, was wirklich zählt. Das ist ein anderer Zugang.

Dann bringen wir es auf den Punkt: Gehört Golf zu Olympia? Und wenn ja, warum?

WIESBERGER: Ich denke, dass Golf als Weltsportart dabei sein sollte, keine Frage. Die Frage, die sich stellt ist: Sollten es die Profis sein, die spielen? Oder die Top-Amateure? Im Fußball spielen ja auch nicht die Besten – aber die haben terminlich ohnehin schon zu viel. Im Boxen gibt es ja auch Amateure und keine Profis.

Also doch Zweifel?

WIESBERGER: Nein! Golf gehört in den olympischen Raster, es ist eine Weltsportart. Aber man muss überlegen dürfen, vielleicht auch aufgrund der Dinge, die man beim ersten Mal herausfindet. Passt das Format? Passt das Starterfeld?

Der Trend würde ja zu Mixed-Events gehen. Würde Ihnen das gefallen?

WIESBERGER: Ich würde es spielen, aber ich denke, es sollte schon Einzelmedaillen geben. Man kann es ja vielleicht kombinieren: Man spielt einen Vierer, wo der Einzelscore und das Teamergebnis zählt. Aber, wie gesagt: Man sollte sich anschauen, ob ein Zählwettspiel über vier Tage und 72 Löcher, so wie es sonst auch überall gespielt wird, das richtige ist.

Sie sprechen oft davon, Österreich zu vertreten. Auch bei Ihren Siegen sind Sie immer als stolzer Österreicher aufgetreten. Ist das nach wie vor so?

WIESBERGER: Ich wüsste nicht, warum sich das verändern hätte sollen. Wenn Sie die Politik ansprechen: Es gibt generell und weltweit Herausforderungen, die nicht so leicht zu lösen sind. Ich habe mir angewöhnt, keine großartigen politischen Aussagen zu treffen. Das steht mir zum einen nicht zu, zum anderen bin ich eben kein Politiker. Aber ich bin sowohl sportlich stolz, Österreich im Golfsport vertreten zu dürfen, als auch persönlich, dass ich in diesem Land aufwachsen durfte und Unterstützung bekomme.

Und Sie selbst werden in Zeiten wie diesen auch nicht auf die Politik angesprochen?

WIESBERGER: Also, gerade außerhalb von Österreich ist es nicht so, dass man getadelt wird, weil man aus Österreich kommt. Klar, die eine oder andere Frage nach der Präsidentenwahl kommt zurzeit schon. Aber generell hat in einer Turnierwoche die Politik wenig Platz.

Kommen wir zum Sportlichen. Sie sind Nummer 50 der Welt (zum Zeitpunkt des Interviews, Anm.), bei Olympia sogar…

WIESBERGER: Nach Stand der Dinge wäre ich die Nummer 18 der Rangliste bei Olympia.

Also sind Sie ein Mitfavorit?

WIESBERGER: Ich glaube, im Golf darf man so nicht denken. Golf ist die Sportart, wo die Chancen am breitesten gefächert sind. Selbst im Tennis sind ein Federer, ein Djokovic, ein Murray fast immer im Halbfinale, unter den letzten Vier. Aber im Golf? Bei den US Open – und die sind weit besser besetzt gewesen, als es Olympia sein wird – war die Nummer 700 der Welt drei Tage mit an der Spitze. Und bei Olympia muss man zumindest Top 250 sein, um dabei zu sein. Deshalb kann und werde ich mich nicht als Geheimfavorit bezeichnen, aber auch keine anderen Favoriten.

Worauf kommt es an?

WIESBERGER: Ganz einfach auf die Wochenverfassung. Die Vorbereitung ist für mich angenehmer als auf die Turnier im Juli, wo es sieben Wochen durchging. Ich habe ein wenig Zeit, einen entspannteren Rhythmus ins Turnier. Deshalb glaube ich an meine Chance, eine Medaille machen zu können. Aber mich oder anderen als Favorit festlegen? Nein, das geht nicht.

Und abseits der eigenen Chancen? Worauf freuen Sie sich?

WIESBERGER: Auf die Eröffnungszeremonie! Das ist eine Chance, die man wahrnehmen sollte. Und ich freue mich aufs Turnier, den Platz. Aber auch darauf, andere Dinge anzuschauen. Basketball ist natürlich ein Thema. Segeln, weil wir früher oft segeln waren. Ich habe aber keine Namen auf der Liste, die ich treffen will. Wenn es entspannt zugeht im Dorf, passiert das von selbst.

Die typische Frage: Wenn Sie es sich aussuchen dürfen, würden Sie den Sieg bei Olympia oder einem Major nehmen?

WIESBERGER: Wenn ich von der Stärke des Feldes ausgehe, dann muss ich sagen, eines der vier Majors. Aber: diese vier Turnier kannst du jedes Jahr spielen, Olympia nur alle vier Jahre. Dazu werde ich in meiner Karriere – hoffentlich – noch drei, vier Mal die Chance haben. Die Majors noch zehn, elf, zwölf Mal, wenn alles gut geht. Der Idealfall ist klar: Ich würde gern daheim eine Goldene und die Claret Jug hinlegen.

Sie bleiben so oder so ein Pionier des Golfsports in Österreich. Denkt man mitunter daran?

WIESBERGER: Ich bin schon stolz, dass ich als erster bei US Open, dem Masters dabei war, alle vier Majors in einem Jahr gespielt habe. Aber Olympia? Wenn Golf schon 2000 olympische gewesen wäre, wäre Markus Bier dabei gewesen. Auf den Zeitpunkt hatte ich keinen Einfluss. Aber mir ist bewusst, dass ich eine Vorreiterrolle von Markus übernommen habe. Ich habe sie aber nicht selbst kreiert. Aber es macht stolz, wenn ich mich Vorreiter nennen darf – und wenn ich einen positiven Einfluss habe auf die Jugend. Und wenn es nur darum geht, zu zeigen, dass man auch aus einem kleinen Land wie Österreich in einer Weltsportart viel zu erreichen. Aber ich bin sicher nicht der, der sich so was ins goldene Büchlein schreibt und sich täglich vorlesen lässt.

Was bei einem Golfer sein muss, ist die Frage nach Geld. Sie haben schon gut verdient und tun es nach wie vor. Hat Sie das verändert?

WIESBERGER: Nur dahingehend, dass ich finanziell nicht jeden Cent zwei Mal umdrehen muss, wenn es ums Flüge oder Hotels buchen geht. Zu Beginn geht es dabei darum, zu sparen, jetzt kann ich gewisse Kosten auf mich nehmen. Sei es, um ein bisschen entspannter fliegen oder zu wohnen. Oder um Trainer zu engagieren.

Und privat?

WIESBERGER: Wenn finanziell die Unabhängigkeit gegeben ist, lässt es sich entspannter leben. Ich kann auch private Projekte realisieren. Aber, ganz ehrlich: Egal ob im Sport oder der Wirtschaft: Wenn man gut und gezielt arbeitet, dann darf man auch gut verdienen. Ich arbeite sehr viel, habe auch Entbehrungen. Und dann mache ich mir Geschenke. . .

Aber keine Ferraris wie Ian Poulter, oder?

WIESBERGER: Lustig, dass sie das ansprechen. Ich habe mit ihm geredet. Er sieht das als Wertanlage. Und wenn jemand meint, dass er ein Trottel ist, weil er sich um 1,5 Millionen Euro einen "La Ferrari" gekauft hat, dem sei gesagt: Er ist keine 100 Kilometer damit gefahren, das Ding ist jetzt 3,5 Millionen wert. Es ist eine Wertanlage. Andere investieren in Immobilien oder andere Geschäftsfelder, er in Autos.

Eine Investition, die in Österreich viel Neid erzeugen würde.

WIESBERGER: Ich will ja jetzt nicht die gesamte Bevölkerung als Neidgesellschaft hinstellen. Ja, ich mache mir Geschenke. Und wenn da jemand Neid empfindet, dann ist das kein Mensch, auf dessen Meinung ich Wert lege. Klar ist: Wenn du gut spielst, verdienst du auch. Und wenn du gut verdienst, zahlst du auch viele Steuern. So wie ich, weil ich nach wie vor in Österreich lebe. Aber ich sage immer: Ich zahle lieber viel Steuern, weil dann habe ich auch gut verdient.