Auf den ersten Blick sind es sagenhafte Bilder. Die Guanabara-Bucht liefert mit der Christus-Statue und dem Zuckerhut im Hintergrund traumhafte Postkarten-Motive. Bilder, die sich das IOC für die Spiele in Rio so gewünscht hatte. Auch das genauere Hinschauen raubt den Beobachtern den Atem – allerdings aus einem anderen Grund. Denn das Segelrevier gleicht nach wie vor stellenweise einer Kloake.
18.000 Liter unbehandeltes Abwasser fließen jede Sekunde in die Bucht und vermischen sich dort mit Müll, Schwermetallen und anderen Giften. An vielen Stellen kann von atlantischem Meerwasser kaum die Rede sein. Untersuchungen von Experten haben einst alarmierende Werte an Viren-Belastung ergeben, die um 1,7 Millionen Mal höher als in vergleichbaren städtischen Küstengewässern in Europa oder den USA sind. Bei dieser Konzentration würden bereits drei Teelöffel ausreichen, um sicher mit Viren infiziert zu werden.Athleten wurden angehalten, vorsorglich Antibiotika einzunehmen, Neoprenanzüge anzuziehen und auch sonst den Kontakt mit Wasser zu minimieren – beim Segeln aber schwierig.
Wo Gesundheitsbehörden in westlichen Ländern sofort den Strand schließen würden, herrscht in Brasilien eine andere Mentalität. "Wir hätten es ein wenig besser machen können, aber die Athleten können in Sicherheit starten. Es besteht keine Gefahr", beschwichtigt Mario Andrada, Sprecher des OK. Die Messwerte in der Bucht seien besser als jemals zuvor und wären auch der Weltgesundheitsorganisation vorgelegt worden.
Versprechen gebrochen
Viel Lärm um nichts also? Wohl kaum, denn in diesen Tagen wird kaschiert, was sieben Jahre lang versäumt wurde. Mit Öko-Booten wird unentwegt Müll aus dem Wasser gezogen. Dazu sollen Barrieren den treibenden Müll abhalten. An der Wasserqualität ändert dies freilich wenig bis nichts. Dabei hatten die Organisatoren im Bewerbungsdokument noch anderes versprochen. 80 Prozent der Wasserstraßen Rios sollten bis zum Beginn der Wettkämpfe gereinigt sein und so ein nachhaltiges Erbe der Spiele bilden. Dafür sollten vier Milliarden Euro ausgegeben werden, letztlich waren es in Zeiten der Wirtschaftskrise gerade einmal 170 Millionen.
"Eine Schande" und "eine verlorene Chance" nennt es Bürgermeister Eduardo Paes, der den Schwarzen Peter an den Bundesstaat weiterreicht. Die Segler zucken nur noch mit den Schultern. "Die Wasserqualität hat sich ein bisserl verbessert, es gibt nicht mehr so viel Müll und vor allem sind die Plastiksackerln weniger, was für uns extrem wichtig ist, weil die im Ruder hängen bleiben können", sagt Lara Vadlau. Sie kennt neben den Notmaßnahmen aber auch den wahren Grund: "Derzeit ist Flut und von draußen kommt frisches Wasser in die Bucht. Da springt sogar der Bürgermeister. Aber jetzt kommt die Ebbe und dann kann gleich alles ganz anders ausschauen. Dann rinnt der Müll von den Favelas herein", erklärt die Kärntnerin, die ab heute hier um Medaillen segeln soll.
Und auch Nico Delle Karth, der ab Freitag mit Niko Resch in den Medaillenkampf eingreift, weiß zu berichten: "Drinnen ist der Müll zwar weniger geworden, aber immer noch nicht weg. Ich hoffe, sie tun noch was." Mit Wasser hat das aber alles wenig zu tun: "Wir waren einmal weit draußen segeln und hatten das erste Mal einen Wassergeschmack im Mund, der sich angefühlt hat wie Meer. Aber das ist sehr weit draußen. . ."
Viel besser ist die Qualität auch bei den Ruderern in der Lagune "Rodrigo de Freitas" und auch an der Copacabana nicht.
Die Vorkommen von Fäkal-Bakterien sind fünfmal so hoch wie erlaubt. Und auch am Strand sind Besucher mit einem schwachen Immunsystem infektionsgefährdet. Aber das sind die Sportler ohnehin nicht, beruhigen manche. Olympia ist im Rio zumindest im Wasser wirklich ein schmutziges Geschäft.