Zwei Tage nach dem Entzünden des olympischen Feuers rückt das russische Staatsdoping wieder ins Schlaglicht. Das Internationale Paralympics Komitee (IPC) gibt am Sonntag in Rio de Janeiro seine Entscheidung bekannt: Dürfen russische Sportler bei den Paralympics vom 7. bis 18. September in der brasilianischen Metropole starten?

Oder folgt das IPC der viel kritisierten Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und scheut einen Ausschluss Russlands? IPC-Chef Sir Philip Craven hat zumindest verbal keine Zweifel an einer harten Linie gelassen. Man habe sich das Verfahren über eine Suspendierung des Nationalen Paralympics Komitees Russlands (NPC Russland) nicht leicht gemacht, erklärte der Brite.

Nur ein Schluss zulässig

Aber der Bericht des unabhängigen WADA-Ermittlers Richard McLaren lasse nur einen Schluss zu: "Nach der vollständigen Bewertung des Berichts der unabhängigen Person und der zusätzlichen Informationen, die wir bekommen haben, glaubt das IPC, dass die derzeitigen Umstände im russischen Sport - die von höchster Stelle dirigiert werden - derart sind, dass das NPC Russlands nicht in der Lage scheint, die Verpflichtungen einer Mitgliedschaft im IPC vollständig zu erfüllen", sagte Craven.

Der McLaren-Report der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) hatte zutage gefördert, dass im Zusammenhang mit den Winterspielen in Sotschi nicht nur Dopingproben von Olympia-Teilnehmern, sondern auch von Paralympics-Startern manipuliert wurden. Das IPC hatte die Namen von 35 Sportlern erhalten, die in Verbindung mit verschwundenen positiven Dopingproben aus dem Moskauer Kontrolllabor stehen sollen.

Zudem hat der Dachverband 19 Dopingproben von den Winter-Paralympics 2014 zur Nachkontrolle geschickt, die im Verdacht stehen, damals ausgetauscht worden zu sein. "Der Report hat einen unvorstellbaren Umfang an institutionellem Doping im russischen Sport aufgedeckt, das auf dem höchsten Level gesteuert wurde. McLarens Erkenntnisse sind eine ernsthafte Besorgnis für alle, die sich einem sauberen und ehrlichen Sport verpflichtet fühlen", erklärte Craven.

"Eher Wischiwaschi"

Der Deutsche Gerd Schönfelder ist eher skeptisch. "Ich hätte mir im Vorfeld der Olympischen Spiele schon ein klares Zeichen vom IOC gewünscht. Der Kampf gegen Doping müsste oberste Priorität. Das ist jetzt kein klares Zeichen, das ist eher Wischiwaschi", sagte der 16-fache Paralympics-Sieger in Rio der Deutschen Presse-Agentur. Der ehemalige alpine Skiläufer befürchtet, dass das IPC auch eher einknickt. "Ich glaube nicht, dass da eine andere Entscheidung getroffen wird. Das wäre aber auch mal ein Zeichen, dass man sagt: Wir sehen das anders und wir entscheiden das anders und wir wollen schon gleich im Behindertensport kein Doping", meinte er.

Bei den Winter-Paralympics 2014 hatte der Gastgeber die Nationenwertung haushoch gewonnen. Mit 30 Gold, 28 Silber und 22 Bronze sowie insgesamt 80 Medaillen heimsten russische Sportler eine bei Winterspielen nie zuvor erreichte Anzahl an Podestplätzen ein. Österreich belegte mit elf Medaillen (2 Gold) Platz neun.