Grün. Ich schaue Dominik Irrasch, meinen Lehrer, an. Mir ist es peinlich, er muss lachen. Aus läppischen zehn Metern landete mein erster Schuss mit Pfeil und Bogen tatsächlich im Grün. Gold, rot, blau, schwarz oder weiß wären mir lieber gewesen, aber ich muss mein Geschoss in der Wiese suchen. Ob mich Robin Hood so in seine Gefolgschaft aufgenommen hätte?

Nächster Versuch. „Schulterbreit hinstellen, die linke Hand, die den Bogen hält, ausstrecken. Dann ziehst du mit der rechten die Sehne bis zum Kinn“, sagt Irrasch, „und wenn das Visier des Bogens in der Mitte der Zielscheibe ist, lass los.“ Blau. Immerhin, ich muss nicht mehr die Wiese absuchen.

Olympia ausprobiert: Bogenschießen

Schauplatzwechsel. Alles wird größer, teurer und schwerer. Die Zielscheibe ist nicht mehr zehn, sondern 70 Meter entfernt. Irrasch, einer der besten Bogenschützen Österreichs und aktuell die Nummer 170 der Weltrangliste, nimmt seinen Hightech-Bogen. Um die 2000 Euro muss man dafür auf den Tisch legen, rund 1900 Euro mehr als für jenes Spielzeug, das ich vor Kurzem in den Händen hielt. „Zieh ihn ohne Pfeil auf“, sagt Irrasch und gibt mir, doch etwas skeptisch, seinen Bogen. „Aber lass die Sehne nicht los, sonst ist der Bogen kaputt“. Vorsichtig versuche ich, die Sehne zum Kinn zu ziehen – und bin verblüfft. Wer vom Amateur-Bogen auf ein Profigerät wechselt, den grüßen rasch Trizeps, Bizeps und Co. „Du ziehst 23 Kilogramm zu dir“, erklärt mir Irrasch, als er meine Anstrengung bemerkt. Der Amateur-Bogen ist mit einer Zugkraft von mickrigen 4,5 Kilogramm kein Vergleich.

Mit Kraft und Ruhe ins Gold

23 Kilogramm dürfen für Irrasch kein Problem sein. 300 Pfeile schießt er an einem Trainingstag. Und im Wettkampf muss der erste Pfeil fliegen wie der allerletzte. „Kraftausdauer gehört zur Basis, um längeren Belastungen standzuhalten“, erklärt Irrasch. Ein gut trainierter Oberkörper ist also Voraussetzung.

Zudem trainieren die Profi-Athleten einen niedrigen Puls und betreiben Ausdauertraining. Denn wer angespannt ist, wird unpräzise. Eine Abweichung im Zehntel-Millimeter-Bereich am Bogen entspricht auf der 70 Meter entfernten Zielscheibe bereits mehreren Zentimetern. „Wenn im Wettkampf plötzlich zwei Augen dazukommen, hat man schnell zehn Schläge pro Minute mehr. Und genau das muss man vermeiden“, erklärt Irrasch.

Über allem steht die Schusstechnik. Irraschs Bewegungen sind geradlinig und durchdacht. Zieht er einen Pfeil auf, hört und spürt er ein „Klick“. Ein entscheidender Moment. Über seiner linken Greifhand klappt ein Metallstück zu. Es signalisiert Irrasch, dass er jeden Pfeil exakt gleich weit aufzieht – erneut ein Detail, das beweist: In diesem Sport muss man funktionieren wie ein Schweizer Uhrwerk.

„Klick“. Irrasch trifft die goldene Mitte. Im Training ist das nach acht Jahren Übung keine Seltenheit. Seine Schüsse sind präzise. Ihm würde es sogar gelingen, den eigenen Pfeil zu treffen. Der berühmte Robin-Hood-Schuss, den man aus den Filmen kennt, ist aber zum Glück bei den 50 Euro teuren Pfeilen von Irrasch gar nicht möglich. Sie sind so konstruiert, dass sie sich nicht spalten lassen.

Dominik Irrasch (rechts) erklärte den Bogensport
Dominik Irrasch (rechts) erklärte den Bogensport © (c) Christoph Duller

Einer meiner Schüsse landet aus zehn Metern tatsächlich im Zentrum. Ein Glücksschuss und Zufallsprodukt. Man fühlt sich zwar kurz wie Robin Hood, wird aber flugs wieder enttäuscht – je öfter ich schieße, desto unruhiger werden die Arme. Der weiße Rand der Zielscheibe ist doch gefährdeter als die goldene, 12,2 Zentimeter kleine Mitte. Robin Hood muss häufig am Trainingsgelände gestanden haben.