Es ist eine Ausnahmesituation, mit denen sich Spitzensportler häufig vor Großevents auseinandersetzen müssen. Wann und wie gelingt mir das Limit für Olympia? Speerwerferin Victoria Hudson erlebte ein regelrechtes Wechselbad der Gefühle. 2019 begann für die 24-Jährige eine Leidenszeit, denn der Ellbogen zwickte - und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.
„Ich hatte immense Schmerzen, da eine Schleimhautfalte im Gelenk eingezwickt war, sodass ich nicht mehr werfen konnte. Zu diesem Zeitpunkt lief die Zeit für Tokio davon. Deshalb wurde der Arm einbandagiert was geht, Schmerzmittel mussten auch sein, bis Corona mir mit der Verschiebung in die Karten spielte. Ich konnte die Operation durchziehen und mich nach kurzer Zeit herankämpfen.“ Davor wurde sie allerdings von Zweifeln geplagt, weil der Druck ins Unermessliche stieg, wie sie selbst verriet:
Inzwischen kann Hudson durchatmen
Beim Meeting in Eisenstadt schrieb sie nach einer 13-monatigen Wettkampfpause rot-weiß-rote Leichtathletikgeschichte. Mit dem Wurf auf 64,68 Meter pulverisierte sie nicht nur ihre eigene Bestleistung um mehr als 3,5 Meter, sondern auch den ÖLV-Rekord. „Der erste Versuch brachte mich direkt nach Tokio, was mich überwältigt hat.“
Dem Begriff "Sensation" kann die Niederösterreicherin wenig abgewinnen, denn diese Weltklasseleistung war das Resultat beinharter Arbeit. „Unser Plan ging auf. Viele sprachen von unerwartet. Auf mich hat das so gewirkt, als hätte es mir niemand zugetraut", sagt sie. "Auf eine gewisse Weise habe ich es verstanden, da ich lang verletzt war. Aber wenige haben den Einblick, wie intensiv ich trainiert habe. Ich habe es mir zugetraut und war davon überzeugt, dass es realistisch ist. Trotzdem bin ich ein Überraschungspaket.“
Diesem einen, eben "dem" Wurf hat Hudson zuletzt viel Zeit gewidmet. Zunächst wurde die Technik zerpflückt. „Obwohl er sehr gut war, haben wir geschaut, was ich noch besser machen kann. Es ist immer etwas ausbaufähig. Und natürlich bin ich da jetzt selbstkritisch, doch mir ist schon auch bewusst, welche starke Leistung ich abgeliefert habe.“ Als Perfektionistin würde sich das ÖLV-Ass nicht bezeichnen, mit plausiblem Hintergrund:
Mit der ehemaligen Speerwerferin Elisabeth Eberl hat die Spätstarterin seit 2017 eine Allround-Trainerin an ihrer Seite, die Empathie an den Tag legt, ihre Erfahrung einfließen lässt und weiß, wie Frauen ticken. „Wir sind auf einer Wellenlänge, sie kennt mich in- und auswendig. Das Training in der Südstadt zwingt einen zur Leistungssteigerung, hier herrscht Professionalität“, sagt die Olympiastarterin, die ihr Durchhaltevermögen zu ihren Stärken zählt. Ihre Explosivität würde sie im Privaten hingegen lieber manchmal unterdrücken: "Ich kann nichts verstecken, wenn mir etwas nicht passt", sagt sie. Ebenso wenig wie auf ihr "Schmink-Ritual" vor Wettkämpfen: "Das ist für mich wie Meditation. Bin ich fertig, bin ich die Wettkampf-Vicky." Der Nachname "Hudson" stammt übrigens aus England. Victorias Mutter lernte als Au-pair ihren Mann kennen, beiden kamen zurück nach Österreich.
In wenigen Wochen soll die Reise zu den Olympischen Spielen nach Tokio starten. Während die Freude über die Teilnahme überwiegt, schwirrt nebenher die Angst vor einer Absage im Kopf herum. „Ich hoffe, dass das nicht passiert. Denn mit Olympia würde sich ein Traum erfüllen.“