Was befürchtet wurde, ist nun traurige Realität: Stabhochspringerin Kira Grünberg, die sich bei einem Trainingsunfall den fünften Halswirbel gebrochen hat, ist vom Hals abwärts gelähmt. "Laut Auskunft der behandelnden Ärzte sind die Schädigungen permanent und lassen nur wenig Spielraum für einen positiven Verlauf", erklärte Thomas Herzog, Manager der 21-jährigen Tirolerin.

Geierspichler weiß, wie es ist

"Wichtig ist zu wissen, dass Querschnittslähmung nicht gleich Querschnittslähmung ist - da gibt es viele Facetten der Restmobilität. Als ich auf Reha war, sind manche auf Krücken gehend wieder rausgegangen, andere Patienten mit derselben Diagnose hingegen im Rollstuhll rausgefahren." Das sagt Thomas Geierspichler, einer der erfolgreichsten Behindertensportler Österreichs.

Der zweifache Paralympics-Sieger im Rennrollstuhlfahren war 1994 zehn Tage vor seinem 18. Geburtstag als Beifahrer in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt, ist seitdem querschnittsgelähmt und kann sich natürlich bis zu einem gewissen Grad in das schwere Schicksal Grünbergs hineinfühlen.

Nur keine Ratschläge

"Ich möchte mir nicht anmaßen, Kira irgendwelche Ratschläge zu geben", betont der Salzburger, der damals selbst keine Ratschläge hören wollte. "Da ist manchmal weniger eben mehr. Wichtig ist jetzt vor allem, dass Kira aus der Familie und ihrem engeren Umfeld Liebe und Geborgenheit erfährt." Dies gelte aber natürlich auch für die Eltern der jungen Tirolerin: "Der familiäre Zusammenhalt steht jetzt an erster Stelle. Momentan findet dort eine gewisse Schockphase statt, wobei jeder anders mit Leid umgeht. Der Rest entwickelt sich", sagt der Spitzensportler.

Am schwierigsten wäre die Situation aber natürlich für Kira Grünberg selbst. "Ich habe lange nicht verstanden, welche Auswirkungen die Tatsache Querschnittslähmung hat. Und es hat bei mir über drei Jahre gedauert, bis ich diese Tatsache realisiert habe. Und ich sage bewusst realisiert und nicht akzeptiert, denn das lässt weit mehr Potenzial offen", betont Geierspichler, der seinen Weg in dem Buch "Mit Rückgrat zurück ins Leben" niedergeschrieben hat.

Kira Grünberg erfäht viel Zuspruch
Kira Grünberg erfäht viel Zuspruch © Kira Grünberg erfäht viel Zuspruch

Nach seinem Unfall hatte der Salzburger, der nächstes Jahr bei den Paralympics in Rio de Janeiro seine letzte Runde im Rennrollstuhl fahren und dabei noch einmal Gold holen will, noch viele Tage gehofft, "dass das alles nur ein Albtraum ist und ich gar nicht querschnittsgelähmt bin. Wenn so etwas passiert, bist du plötzlich wie ein Baby in einem Erwachsenenkörper. Und wie soll ein Baby wissen, was jetzt wirklich los ist."

Der Körpermensch

Als der Arzt Geierspichler dann erklärte, dass er nie wieder werde gehen können, sei das wie ein Flugzeugabsturz gewesen. "Da zog plötzlich mein ganzes Leben an mir vorbei. Ich habe mich bei AC/DC-Konzerten tanzen, beim Fußballspielen und beim Arbeiten auf dem Bauernhof gesehen. Ich war ein Körpermensch und sollte jetzt plötzlich behindert sein? Damit konnte ich nicht umgehen. Da habe ich gedacht, mein Leben ist vorbei", erinnert sich der 39-Jährige zurück.

Viel hänge auch von der Persönlichkeit der Betroffenen ab. "Einige können damit besser umgehen, andere weniger. Einige brauchen länger, um es zu realisieren, andere kürzer", sagt Geierspichler, der betont: "Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Tut man es dennoch, reißt es ab."

Geduld als Tugend

Kurz gesagt, Menschen mit diesem Schicksal müssten Geduld haben und lernen, mit sich zurechtzukommen. "Denn irgendwann taucht am Horizont wieder ein Silberstreifen auf. Und, auch wenn ich es am Anfang nicht hören wollte, mein Leben ging weiter! Ich wünsche Kira und der Familie alle Kraft der Welt, um diesen schwierigen Weg zu meistern."

ALEXANDER TAGGER