Wird denn der nie müde? Selbst nähert man sich tempo- und pulsmäßig mit eiligen Schritten dem roten Drehzahlbereich. Und der Kollege neben einem? Lacht. Zum sechsten Mal haben wir Schulter an Schulter gerade ein schnelles 60-Sekunden-Intervall hinter uns gebracht. Jetzt liegt eine Minute lockeres Joggen vor uns, bevor es dann wieder „Gas geben“ heißt. Zwanzig Minuten geht das so dahin. Zwanzig Minuten, in denen sich die Anstrengung immer tiefer ins eigene Gesicht frisst, während Gikuni wie ein Schatten als Schrittmacher neben mir läuft. Und lacht.
Gut, Geoffrey Gikuni Ndungu hat den Dublin Marathon zwei Mal gewonnen, zuletzt den Berglaufweltcup für sich entschieden und bereitet sich gerade auf den Jungfrau-Marathon vor – bei dem er sich vor ein paar Jahren auch schon in die Siegerliste eingetragen hat. Viel mehr als ein zügiges Dahintraben war das gerade für ihn demnach nicht. Er lacht.
Zusammen mit 20 kenianischen Teamkollegen ist er an diesem Dienstagvormittag Dorfrand von Kals am Großglockner unterwegs. Gemeinsam mit ebensovielen Hobbyläufern aus Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz absolvieren sie an diesem Dienstagvormittag auf einem schönen Forststraßen-Rundkurs eine „Speedrun“-Einheit. Die europäischen Gäste sind nach Osttirol gekommen, um hier mit den ostafrikanischen Spitzenathleten gemeinsam zu trainieren, wobei jeder Gast für die Woche einen eigenen kenianischen „Laufbuddy“ zur Seite gestellt bekommt. Sie passen sich dabei dem Niveau ihrer Gäste an und geben Tipps.
Möglich macht das der Verein run2gether, der über die Sommerwochen heuer erstmals in Kals sein Basislager aufgeschlagen hat. Von hier aus fahren die kenianischen Läufer an den Wochenenden zu Wettkämpfen, hier wohnen, leben und laufen sie unter der Woche – und bieten den Hobbyläufern bei einwöchigen Trainingscamps die Möglichkeit, die kenianische Laufphilosophie „all inclusive“ kennenzulernen.
Dafür heißt es allerdings, früh aufzustehen. Noch vor dem Frühstück steht um halb sieben ein Morning Run auf dem Programm. Typisch kenianisch startet er im (sehr) lockeren Aufwärmtempo, bleibt dann gemütlich, bevor nach knapp einer Stunde kurz vor dem Ziel die Geschwindigkeit sukzessive bis in den Sprintmodus erhöht wird. Spätestens jetzt sind alle wach.
Jeder Hügel ein Sprint
Die Erholungspause bleibt überschaubar. Um elf Uhr trifft sich die Runde das zweite Mal – dienstags zum Beispiel für den „Speedrun“, mittwochs für den „Hillrun“. Wieder so eine kenianische Spezialität: Schnelle 200 bis 300 Meter bergauf, dann locker retour – 20 Minuten lang. Das gibt es auch in der Variante „Hillsearching“, bei der jede Steigung Tempo gemacht und im Flachen beziehungsweise bergab langsam gelaufen wird. – In diesen Kombinationen garantierte Pulsbeschleuniger, die Kraft und Tempohärte bringen. Und Gikuni ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Aber zumindest schwitzt und schnauft er jetzt auch.
Dazu gibt es Einheiten, bei denen Technik und Dehnung im Vordergrund stehen und Longruns, für die Kals eine atemberaubende Kulisse bietet. Auch wenn es durch das Dorfertal zum Kalser Tauernhaus und weiter zur Rudolfshütte eigentlich permanent bergauf geht, ist der Trailrun in der zweiten Wochenhälfte einer der sportlichen Höhepunkte des Camps, bei dem es die Hobbyläufer je nach Leistungsniveau auf 50 bis 80 Kilometer bringen. Der nahrungsmäßige „Treibstoff“ ist ebenfalls im Kenia-Stil: Von den Athleten selbst gekocht und serviert wird Ugali, eine Art Polenta, zusammen mit viel anderem Gemüse. „Das macht schnell“, sagt Gikuni. Und lacht.
Klaus Höfler