Ganz traut Andreas Vojta der Geschichte noch nicht. Egal, wen man fragt, egal wo man nachliest: Der 33-Jährige wird als heißestes rot-weiß-rotes Eisen beim Vienna City Marathon am 23. April genannt. Das Problem: Vojta war in seiner bisherigen - erfolgreichen - Laufbahn Spezialist über 1000 Meter, 1500 Meter, 10.000 Meter, ist ein formidabler Halbmarathon-Läufer. Aber 42,195 Kilometer im absoluten Wettkampf-Tempo - das ist für Vojta neu.
Selbst macht er sich keinen Druck. "Ich will mich wirklich nicht zu weit hinauslehnen", sagt er. "Ich weiß, dass Marathon noch immer Marathon ist." Dementsprechend vorsichtig würde er an die Angelegenheit herangehen - freilich mit einer gewissen Erwartungshaltung. "Ich weiß, dass ich in die 2:10er-Region laufen kann", sagt er. Na bumm. 2:10:06 ist österreichischer Rekord über 42,195 Kilometer - gelaufen von Peter Herzog im regnerischen London im Jahr 2020. "Das halte ich auf Basis meiner Trainingsleistung für realistisch", sagt Vojta. Entscheidender Nachsatz: "Ob ich es auch umsetzen kann, weiß ich nicht. Vielleicht kann ich nur Halbmarathon."
Der Mann mit dem Hammer, der Hobby-Marathonläufer um Kilometer 30 heimsucht, ist nämlich auch auf Profiebene kein seltener Gast. "Was ab Kilometer 30 passiert, kann man nicht voraussagen", sagt Vojta. "Ich bin gespannt, was da passiert." Dass professionelle Läufer dem Hammer ausweichen, ist physiologisch nicht möglich. "Irgendwann ist die Energie ganz einfach aufgebraucht. Bei jedem." Vojta selbst hat aber das Gefühl, diesbezüglich sehr gut aufgestellt zu sein. "Ich habe da noch nie Probleme gehabt", sagt er.
Und ganz grundsätzlich würde er sich glücklich schätzen. "Ich bin ein robuster Läufer", sagt er. "Das war ich in meiner ganzen bisherigen Karriere." In der ersten Jänner-Woche hat er sich auf nach Kenia gemacht, um sich spezifisch auf den Marathon vorzubereiten. Und er musste seither keine einzige Trainingseinheit auslassen. Kein Wehwehchen, keine Verkühlung, gar nichts. "Ich bin echt dankbar, weil es sehr schnell gehen kann", sagt Vojta. Herzog etwa hatte sich wie ein deutscher Trainingskollege Vojtas auf den Marathon in Sevilla vorbereitet, und musste passen. Die österreichischen Spitzenläufer Timon Theurer (Beinblessur) und Mario Bauernfeind (Erkrankungen im Vorfeld) mussten ihre Anmeldung für Wien zurückziehen. Das Problem: Bei kürzeren Distanzen meldet man sich einfach für ein Meeting eine Woche später an. Beim Marathon? "Vier, fünf, sechs Monate Vorbereitung sind einfach weg. Die Ausgaben für das Trainingslager, weg."
3:05 pro Kilometer - 42,195 Mal
Der Plan für den Vienna City Marathon sieht jedenfalls 3:05 Minuten pro Kilometer vor - vom Anfang bis zum Ende. Mit der absoluten Hoffnung, auf den letzten Kilometern einen Zahn zulegen zu können. Dafür stand in den letzten beiden Wochen vor dem Marathon nur Tapering auf dem Programm. Keine großen Umfänge, keine harten Einheiten. "Besser werde ich nicht mehr", sagt Vojta. "Das ist der Luxus des Profis - ich kann das Leben ein bisserl zurückfahren." Heißt: Termine finden nach dem Marathon statt, Menschenansammlungen werden gemieden.
Nach dem großen Tag gibt es dann Pause. "Zwei Wochen laufe ich dann nach Lust und Laune - das heißt meistens, dass ich nicht laufe", sagt Vojta. Diese Zeit wird genutzt, um sich Pläne für die kommenden Monate zu machen. Denn auch wenn er in Wien vorhat, schnell zu laufen: Vojtas übergeordnetes Ziel sind die Olympischen Spiele in Paris. Das Limit - 2:08:10 - wird in Wien nicht fallen, sich im World Ranking mit einer Zeit um 2:10 um Platz 80 zu platzieren, der reichen würde, ist realistisch. Aber: Um in diesem Ranking Eingang zu finden, braucht es zwei Marathon-Zeiten.
Und vor der zweiten kommt die erste Zeit, die in Wien eingelaufen werden soll. "Die Stimmung wird riesig", freut sich Vojta auf sein Heimrennen: "Überall werden Leute von mir sein. Der Zieleinlauf, die letzten 400 Meter - das wird magisch."