Aleš Pajovič ist ein angenehmer Mensch. Höflich, wertschätzend im Umgang und trotz seiner stattlichen Größe von fast zwei Metern gibt er dem Gegenüber nie das Gefühl, klein zu sein. Pajovič geht als Trainer voran, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Er lehrt die Notwendigkeit des Kollektivs, des gemeinsamen Weges. Stars für das Rampenlicht braucht er nicht, das will und wollte er selbst auch nie sein. „Ich will nur ein gutes Leben haben und es genießen.“ Wird er mit seinen vielen gewonnenen Titeln (bis hin zu jenen in der Champions League) vorgestellt, ist ihm das fast unangenehm. Das hat er nicht nötig. „Ich bin Aleš“, sagt der Slowene (45), „ich möchte, dass mir jemand die Hand gibt und mir dabei in die Augen sieht.“ Er ist ein Mensch, der einem Freund sofort hilfreich beisteht, etwa, um die Waschmaschine durchs Stiegenhaus zu schleppen. Ein Anruf genügt. 

Aleš Pajovič steht hinter dem Erfolg und stets hinter seinen Spielern
Aleš Pajovič steht hinter dem Erfolg und stets hinter seinen Spielern © AP

Diese Art des Umgangs, gepaart mit einem breitgefächerten Fachwissen rund um den Handballsport, macht ihn aus. Dass das Märchen in Deutschland durch ihn möglich wurde, würde er so nie behaupten. Es ist immer die Mannschaft, die alles möglich macht, würde er sagen. Auch wenn die Rollen im Kader verteilt sind, Mykola Bilyk und Lukas Hutecek das Team führen, drängt sich keiner in den Vordergrund. Jeder kann Tore schießen, muss es aber nicht, um sein Ego aufzupolieren. Alle arbeiten zusammen, gewinnen und verlieren gemeinsam, stehen nach den Spielen im Kreis und singen Lieder. Spielen zusammen Karten. Treiben Schabernack. Pajovič: „Das ist mir wichtig. Das ist die Stimmung, auf die ich hinarbeite. Die Jungs müssen Spaß haben, dann passiert so etwas.“ Österreich schrieb in den jüngsten zwei Wochen so Handballgeschichte, warf Europameister Spanien aus dem Bewerb, glänzte gegen weitere Großmächte und verpasste nur knapp das Halbfinale.

Selbst in der hitzigsten Situation bleibt er ruhig. Das ist das Ergebnis einer frühen Prägung. In seiner Jugend hatte er viele „Balkan-Trainer“. Nach jedem Fehler wurde geschrien, es fielen Schimpfwörter. „Das war hart für mich. Da bekommt man Angst, Druck und macht noch mehr Fehler. Ich versuche, immer positiv mit meinen Spielern zu reden“, erläutert Pajovič. Schließlich würden auch die Besten Fehler machen. Sein Credo: Den Fehler sofort vergessen, zurücklaufen und es besser machen. Über Ballverluste könne man nach dem Spiel in Ruhe reden. Analysieren. Lernen. Man habe es bei der EM gesehen, wie sich die Mannschaft nach Rückständen zurückgekämpft hat, sagt er: „Das geht nur mit Freiheit im Kopf.“ Ein freundschaftliches Verhältnis innerhalb der Mannschaft ist ihm wichtig: „Viele Trainer sind hart zu den Spielern, dann haben sie Angst und reden nicht mit ihnen. Das will ich nicht.“

Der erste Anruf nach einem Spiel gilt immer seiner Frau. Von ihr und den Kindern war er lange getrennt, das Wiedersehen sehnt er herbei. Die Familie ist sein Mittelpunkt. „Es ist egal, ob du gewinnst oder verlierst. Am Ende gehst du immer nach Hause zu deiner Familie und sie ist alles.“ Pajovič hat als Spieler immer Wert daraufgelegt, dass Frau und Kinder bei ihm sind. „Dafür muss ich meiner Frau danken. Sie hat alles in die Familie investiert und nur so haben wir es geschafft, über meine ganze Karriere zusammen zu sein.“ Er wollte nicht, wie viele seiner Kollegen, weit weg von seinen Liebsten leben. Das hätte nicht funktioniert.

Als Pajovič 2011 als „Sensationstransfer“ von HSG-Graz-Obmann Michael Schweighofer mit einem Sonderbudget zur HSG Graz geholt wurde, schlug die Familie vorerst für ein Jahr ihre Zelte an der Mur auf. Vier Jahre später und nach nomadischen Jahren in Ciudad, Kiel, Graz, Magdeburg, Celje und Lübbecke fand sie unweit ihrer slowenischen Heimat in Graz einen neuen Ankerpunkt. Zuerst als Spielertrainer und dann nur noch an der Linie begann er umzusetzen, was er unter anderem vom großen Trainer Talant Dujshebaev in Spanien gelernt hatte. Als ihn 2019 der Ruf des Nationalteams ereilte, legte ihm „Herr Schweighofer“, wie er ihn in Interviews immer noch respektvoll nennt, keinen Stein in den Weg. Er begann seine Karriere mit den Worten: „Respekt ist das Wichtigste“. Und ließ ihnen Taten folgen.

Michael Schweighofer holte 2011 mit der Unterstützung von Hans Roth Aleš Pajovič ins Team des damaligen Trainers Josip Milković (von links)
Michael Schweighofer holte 2011 mit der Unterstützung von Hans Roth Aleš Pajovič ins Team des damaligen Trainers Josip Milković (von links) © GEPA