Die Milwaukee Bucks, denen echter Wandel wichtiger als ein NBA-Titel ist, haben diesen Stein ins Rollen gebracht. Der Grunddurchgangssieger entschied sich am Mittwoch in der "NBA-Bubble" in Orlando, nicht zu seinem fünften Play-off-Spiel gegen Orlando Magic anzutreten. Stattdessen verweilten Superstar Giannis Antetokounmpo, der erst am Vortag als bester Verteidiger ausgezeichnet worden war und auch beste Chancen hat, zum zweiten Mal hintereinander als wertvollster Spieler (MVP) der NBA geehrt zu werden, und seine Teamkollegen mehrere Stunden in ihrer Kabine.
Dieser spontane Boykott war ihre Reaktion auf die Gewalttat von Polizisten gegen den Afroamerikaner Jacob Blake, dem am vergangenen Sonntag im nicht einmal eine Autostunde von Milwaukee entfernten Kenosha im US-Bundesstaat Wisconsin sieben Mal in den Rücken geschossen worden war. Der Vorfall wurde auf einem Video festgehalten. Darauf ist zu sehen, wie Blake zu seinem Auto geht, gefolgt von zwei weißen Polizisten mit gezogenen Pistolen. Eine der Waffen ist auf seinen Rücken gerichtet. Als Blake die Fahrertür öffnet und sich ins Auto beugt, fallen die sieben Schüsse, die ihn schwer verletzen.
Laut dem Anwalt der Familie, Ben Crump, saßen auf dem Rücksitz des Autos drei von Blakes insgesamt sechs Kindern. Seine Söhne - drei, fünf und acht Jahre alt - mussten den Vorfall somit aus nächster Nähe mitansehen. Nach Angaben seiner Familie ist Blake von der Hüfte abwärts gelähmt und wird wohl nie wieder gehen können.
"Wenn wir das Spielfeld betreten und Milwaukee und Wisconsin repräsentieren, wird von uns erwartet, dass wir auf hohem Niveau spielen, unser Bestes geben und uns gegenseitig zur Rechenschaft ziehen. Wir halten uns an diesen Standard und fordern deshalb jetzt dasselbe von unserem Gesetzgeber und unseren Strafverfolgungsbehörden. Wir fordern Gerechtigkeit für Jacob Blake und verlangen, dass die Beamten zur Rechenschaft gezogen werden", betonte Bucks-Guard George Hill, als er gemeinsam mit seinem Teamkollegen Sterling Brown das Statement der Milwaukee-Spieler zum Boykott verlas.
Nach all den "rassistischen Ungerechtigkeiten" der jüngsten Monate "können wir den Fokus nicht auf den Basketball richten", erklärte Bucks-Forward Brown. "Wir haben die Morde und die Ungerechtigkeit satt", ergänzte Hill. Laut einem ESPN-Bericht gab es auch eine Telefonkonferenz der Milwaukee-Spieler mit Josh Kaul, dem Justizminister von Wisconsin, und Mandela Barnes, dem Vizegouverneur von Wisconsin.
Alexander Lasry, der Sohn von Bucks-Eigentümer Marc Lasry und Vizepräsident des Clubs, hatte bereits zuvor auf Twitter die historische Protestaktion seines Teams begrüßt: "Manche Dinge sind größer als Basketball. Der heutige Streik der Spieler zeigt, dass es uns reicht. Genug ist genug. Es muss sich etwas ändern. Ich bin unglaublich stolz auf unsere Burschen, und wir stehen zu 100 Prozent hinter unseren Spielern, um sie zu unterstützen und einen echten Wandel zu ermöglichen."
Die NBA reagierte schnell und sagte bereits eine Stunde nach dem geplanten Spielbeginn der Partie zwischen Milwaukee und Orlando auch die restlichen beiden Mittwoch-Matches - Los Angeles Lakers - Portland Trail Blazers und Houston Rockets - Oklahoma CityThunder - ab. Sie sollen ebenfalls zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden.
Weitere drei Stunden später trafen sich dann die NBA-Profis, um über das weitere Vorgehen zu diskutieren. Dabei wurde auch über einen Abbruch der Saison gesprochen. Die Mehrheit der Spieler soll jedoch für eine Fortsetzung der längstens bis 13. Oktober dauernden Play-offs plädiert haben. Allerdings dürften vorerst auch die für (den heutigen) Donnerstag angesetzten drei Partien ausfallen, da unmittelbar zuvor sowohl ein weiteres Treffen der Spieler als auch ein Meeting der NBA-Eigentümer angesetzt sind. Danach soll feststehen, ob es auch 2020 einen Champion in der besten Basketball-Liga der Welt gibt oder nicht.