Der Draft markiert jedes Jahr den Startschuss in die neue Saison in der besten American-Football-Liga der Welt, der National Football League (NFL). Schlägt man im Wörterbuch den Begriff "Draft" nach, findet man die Übersetzungen "Entwurf" oder "Skizze". Und genau das ist es auch. Denn: Die eigentliche Saison beginnt meist erst im September, also fünf Monate nach dem Draft. Dieser lange Zeitraum ist aber auch notwendig, um die besten College-Spieler, die beim Draft von den 32 NFL-Teams gewählt werden, auf die knallharte Profi-Liga vorzubereiten.

Aus österreichischer Sicht wird beim kommenden Draft (28. bis 30. April) in Las Vegas wohl Geschichte geschrieben werden. Mit Bernhard Raimann wird mit hoher Wahrscheinlichkeit zum ersten Mal ein österreichischer Footballer im Draft gezogen. "Das wäre eine große Ehre. So ein bisschen österreichische Football-Geschichte zu schreiben, wäre natürlich super", sagt der 24-jährige Burgenländer.

"Das wäre eine Sensation, ein Meilenstein"

Warum das so besonders wäre, erklärt der österreichische Football-Verbandschef Michael Eschlböck kurz und knapp: "Er wäre schlicht und einfach der Erste. Das wäre eine Sensation, ein Meilenstein." Zwar gab es schon einige Landsleute, die in den USA für Aufsehen sorgten, diese entschieden sich aber zumeist in ihrer Fußball-Pension dafür, sich als Kicker zu versuchen. Oder kamen als "erst" als Erwachsene nach Nordamerika, wie Sandro Platzgummer. Mit Raimann hat Österreich nun einen der vielversprechendsten Offensive-Liner im Draft. Und die O-Line ist eine Position, auf der viele Teams Bedarf haben. "Für uns ist das ein absolutes Aushängeschild und das bringt enorme Motivation für den Nachwuchs. Sie können sehen, dass es mit viel harter Arbeit gelingen kann, in die beste Football-Liga der Welt zu kommen."

Ähnlich hoffnungsvoll blickt Teamchef Max Sommer auf den kommenden Draft. Er kennt Raimann noch von seinen Zeiten bei der Junioren-Nationalmannschaft - damals noch auf ganz anderer Position. "Damals hat er mit seiner Körpergröße und Athletik schon als Wide Receiver auf sich aufmerksam gemacht. Unglaublich, dass er den Wechsel zum Offensive-Tackle so schnell geschafft hat", erklärt Sommer. Der 24-Jährige kam vor Jahren als Austauschschüler an die Delton-Kellogg High School in Michigan, spielte dort als Tight End und bekam ein Angebot der Central Michigan Universität. Dort schulten ihn die Trainer zum Tackle um, was sich auch körperlich bemerkbar machte. "Da hat er noch einmal 25 qualitativ hochwertige Kilogramm draufgepackt, was seine Athletik und Balance aber nicht beeinträchtigt hat", sagt der Nationalteamcoach.

Die "neue" Position spielt Raimann erst seit zwei Saisonen. Das könnte ihm im Draft enorm helfen. "Die Lernkurve ist noch lange nicht erschöpft, was den Trainern und Managern gefallen wird. Er wird seine Bestleistungen erst noch erbringen und hat enormes Potenzial", meint Sommer und sieht ihn als absolutes Vorbild: "Vor 20 Jahren konntest du jungen Österreichern sagen, dass es maximal für eine US-amerikanische High School reicht, wenn sie dranbleiben. Jetzt sind dem ganzen keine Grenzen mehr gesetzt, die Perspektive ist gegeben."

Auch finanziell wird sich der Schritt in die NFL für Raimann auszahlen. Je früher er von einem Team ausgewählt wird, desto höher sein Gehalt. Beträge in Millionenhöhe sind durchaus im realistischen Bereich.

Kickende Österreicher

Bisher überzeugten österreichische Spieler hauptsächlich auf der Position des Kickers. Zwar schafften in den letzten zwei Jahren Sandro Platzgummer, Bernhard Seikovits und Leo Misangumukini über das International-Pathway-Programm den Sprung in einen NFL-Kader, für ein Saisonspiel reichte es bisher aber noch nicht.

Anders als bei Toni Fritsch, der als Flügelstürmer eine Generation bei Rapid prägte und nach seiner Fußballkarriere in die NFL zu den Dallas Cowboys wechselte. Bereits in der ersten Saison sicherte sich Fritsch mit den Cowboys den Super Bowl gegen die Miami Dolphins. Beim 24:3-Erfolg kam er aber nicht zum Einsatz, da sein Kollege Mike Clark kickte, mit dem er sich die Saison über abgewechselt hatte. Bei seinem zweiten Super Bowl 1976 kickte er zwar für Dallas, die Partie ging aber 17:21 gegen Pittsburgh verloren. Insgesamt spielte Fritsch 14 Jahre in der National Football League. Am Am 13. September 2005 verstarb er im Alter von 60 Jahren an Herzversagen in Houston, wo er nach seiner Karriere gelebt hatte.

Der gebürtige Steirer Toni Linhart kam nach Stationen beim Wiener Sportklub und der Vienna in die USA. 1972 hatte er in seiner Premierensaison Schwierigkeiten bei den New Orleans Saints. Weitaus besser lief es nach einer kurzen Heimkehr ab dem 1974. Da gelang ihm mit den Baltimore Colts der Durchbruch in der NFL. Seine Karriere beendete der zweimalige Pro-Bowler (1976, 1977) bei den New York Jets, nachdem ihn die Colts im Laufe der Saison 1979 entlassen hatten. Bis zu seinem Tod am 12. Mai 2013 blieb Linhart in Maryland.

Anders als seine Vorgänger wuchs Raimund Wersching in den USA auf, genauer gesagt in Los Angeles. Schnell fand er seine Liebe zum American Football, war als Kind auch Fan der LA Rams. Als Spieler kickte er aber für zwei andere Teams in Kalifornien. Von 1973 bis 1976 in San Diego, die zehn darauffolgenden Jahre in San Francisco. Mit den 49ers gewann "Ray", wie ihn die Nordamerikaner schnell tauften, zweimal den Super Bowl (1982 und 1985). Sein Kicking-Stil war dabei einzigartig, starrte er stets zu Boden und blickte nicht nach vorne. Nach seiner Karriere verlor der gebürtige Oberösterreicher bei Investitionen viel Geld, musste sich sogar einer Anklage stellen. Derzeit lebt er in San Francisco.