Es war der Aufreger des vergangenen Schach-Jahres und hat dem Spiel auf den 64 Feldern zu viel Reichweite in allen Medien verholfen: Beim legendären Sinquefield-Cup verliert Magnus Carlsen gegen den aufstrebenden US-Amerikaner Hans Niemann. Und zieht sich daraufhin vom Turnier zurück - erstmals. Die Schachszene deutete Carlsens Ausstieg als Betrugsvorwurf gegen Niemann. Aber wie soll das der Aufsteiger der Szene angestellt haben? Hier übernahm auch das Internet mit seinem Potenzial für fantasievolle Spekulationen. Es wäre ja möglich, durch Analkugeln Signale vibrierender Art zu empfangen. So könne man die weiteren Züge planen.

Niemann ging die Offensive. "Wenn sie wollen, dass ich mich komplett nackt ausziehe, werde ich es tun", kündigte er an. "Das ist mir egal, denn ich weiß, dass ich sauber bin. Man will, dass ich in einer geschlossenen Box ohne elektronische Übertragung spiele, ist mir egal. Ich bin hier, um zu gewinnen, und das ist mein Ziel, egal wie."

Niemann war auf chess.com gesperrt

Niemann gab während des Sinquefield Cups in einem Interview dann aber zu, zweimal als Teenager im Alter von zwölf und 16 Jahren bei Online-Partien betrogen zu haben, nie jedoch in Präsenz am Schachbrett. War da aber vielleicht doch mehr? Niemann soll angeblich sogar in mehr als 100 Online-Partien betrogen haben. Das geht aus einem Untersuchungsbericht des Portals chess.com hervor, über das das "Wall Street Journal" (WSJ) berichtete. Niemann soll demnach um ein Vielfaches häufiger betrogen haben als bei den zwei Gelegenheiten, die er selbst eingeräumt hatte. Auf chess.com wurde Niemann daraufhin gesperrt.

Die Vorwürfe wurden bestärkt, als Carlsen bei einem weiteren Aufeinandertreffen mit Niemann bei einem Online-Turnier aufgab, ohne einen Zug gemacht zu haben. Carlsen sprach daraufhin auch öffentlich und beschuldigte Niemann des Betrugs. Niemann klagte daraufhin: Der junge US-Spieler verlangt in der bei einem Gericht im US-Bundesstaat Missouri eingereichten Klage 100 Mio. Dollar (102 Mio. Euro) Schadenersatz von Carlsen sowie dessen Firma Play Magnus und den US-Spielern Danny Rensch und Hikaru Nakamura. Niemann wirft ihnen Verleumdung, üble Nachrede und geheime Absprachen vor, um seinen Ruf und seine Existenz zu zerstören. Die Klage wurde mittlerweile abgelehnt.

Alle vertragen sich wieder

Und jetzt scheint Frieden zwischen Carlsen und Niemann zu herrschen. Auf chess.com wurde der Amerikaner wieder zugelassen, die Seite "freut sich, wenn Niemann an künftigen Turnieren teilnimmt". Carlsen akzeptiert, dass es nicht ausreichend "Beweise gibt, dass Niemann beim Sinquefield-Cup betrogen hat und werde in Zukunft gegen ihn spielen, wenn wir gegeneinander ausgelost werden". Niemann freut sich auf Duelle mit Carlsen "im Schach und nicht vor Gericht".