Stellen Sie sich vor, Sie gehen zur Arbeit und ein Arzt steht stets bereit. Und es wird der Tag kommen, an dem Sie diesen Arzt benötigen werden. Es ist das Schicksal aller Rennfahrer, wie auch Alex Zanardi einer ist. Beim Italiener schlug es am 15. September 2001 zu. Bei einem Champ-Car-Rennen auf dem Lausitzring fuhr der Italiener 13 Runden vor Schluss in Führung liegend nochmals an die Box. Wenig später raste er wieder auf die Strecke zurück, kam ins Schleudern und wurde von Alex Tagliani mit Tempo 320 abgeschossen. Wie durch ein Wunder überlebte Zanardi, der sieben Mal wiederbelebt werden musste, den horrenden Crash, verlor dabei allerdings beide Beine.
„Als ich damals aus dem Koma aufgewacht bin, war mein erster Gedanke: ,Wie soll ich all die Dinge, die ich noch vorhabe, ohne Beine erledigen? Aber ich hatte keine Zweifel, dass ich sie nicht erledigen werde’“, sagte der heute 53-Jährige einmal in einer Dokumentation. Zwei Jahre später kehrte Zanardi auf den Lausitzring zurück und absolvierte in einem eigens angefertigten Rennwagen jene 13 Runden, die ihm 2001 noch auf den Sieg gefehlt hatten ...
Die Geschichte von Alex Zanardi bewegt und ließ in den vergangenen Jahren unzählige Menschen auf den Italiener als inspirierende Persönlichkeit aufblicken. 2005 stieg der Vollblutrennfahrer („Ich bin abhängig vom Rumoren der Motoren und dem Geruch des Öls“) erstmals in einen speziell angefertigten BMW und startete bei der Tourenwagen-Weltmeisterschaft durch.
Goldhamster bei den Paralympics
Noch im selben Jahr feierte der Familienvater aus Bologna, nach dem 2018 sogar ein Asteroid benannt wurde – (22517) Alexzanardi – in Oschersleben den ersten von drei, nicht für möglich gehaltenen Siegen. Und wie das Rennfahren liegt Zanardi auch das Gewinnen im Blut. „In Italien glauben die Leute, dass alles, was ich anfasse, zu Gold wird“, sagte der populäre Draufgänger, nachdem er sich im Handbike zum vierten Mal zum Triumphator bei den Paralympics gekrönt hatte.
Alex Zanardi – dieser Name steht aber nicht nur für einen nicht zu brechenden Kampfgeist, sondern vor allem für einen unglaublichen Lebenswillen. Und an diesen klammern sich nun weltweit die Fans des Italieners, der nach einem tragischen Unfall mit seinem Handbike in einer Klinik in Siena im künstlichen Koma liegt und erneut um sein Leben kämpft.
Bei einem Rennen in der Toskana kam Zanardi am Freitag bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h zu Sturz, geriet auf die Gegenfahrbahn und wurde von einem Lkw erfasst. Laut behandelnden Ärzten sei der Zustand des Italieners, der Hirn-, Gesichts- und Augenverletzungen erlitten hat, derzeit „ernst, aber stabil“. „Die gebrochenen Stirnknochen haben auf das Gehirn gedrückt. Der Patient ist körperlich stabil, neurologisch ist allerdings eine Prognose nicht möglich, solange er im künstlichen Koma liegt“, erklärte Neurochirurg Giuseppe Olivieri.
Lkw-Fahrer wohl ohne Schuld
Während die Welt gebannt auf gute Nachrichten aus Siena hofft, ergaben erste Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, dass den Lkw-Fahrer wohl keine Schuld an dem Unfall trifft. Weil das Rennen von den Behörden nicht bewilligt war, gab es auch keine entsprechenden Absperrungen der Straßen. „Ohne Genehmigung müssen Radfahrer die Straßenverkehrsordnung beachten. Deshalb kann der Lkw-Fahrer nicht alleiniger Schuldiger sein“, sagte Roberto Sgalla, Experte für Fahrradsicherheit, gegenüber dem „Corriere della Serra“.
Alex Zanardi hat in seinem Leben schon mehrmals bewiesen, unzerstörbar zu sein. Und so lebt die Hoffnung, dass er auch diesmal dem Tod eine Absage erteilt.