Der leitende Ermittler des Bundeskriminalamtes (BK), Dieter Csefan, geht davon aus, dass sich die Wogen in der Blutdoping-Causa noch lange nicht glätten werden. Schließlich stehe man bei der Auswertung der Spuren, der Zeugen- und Beschuldigtenaussagen erst am Anfang. "Ich bin überzeugt davon, dass es noch weitere Beschuldigte geben wird", sagte Csefan am Montag im Gespräch mit der APA.
Sein Team wertet derzeit unter anderem auch DNA-Spuren von mehreren in Seefeld beschlagnahmten Blutbeuteln aus. Diese seien beim Zugriffs während der Nordischen Ski-WM sichergestellt worden. Einer stammt vom auf frischer Tat beim Blutdoping ertappten Langläufer Max Hauke. Weitere seien für die Athleten aus dem Ausland gedacht gewesen, die laut einem vereinbarten Behandlungsplan vor und nach Hauke dran gewesen wären. "Eigentlich hatten die Festgenommenen noch Termine mit anderen Sportlern ausgemacht, die Blutbeutel hatten sie schon mit", so der mit sechs Kollegen an dem Fall arbeitende Csefan.
Arzt in Seefeld als Tourist getarnt
Dank umfangreicher Ermittlungsarbeit wisse man auch, dass Hauke in direktem Kontakt mit dem Arzt gestanden sei, um den Termin unmittelbar vor dem WM-Rennen über 15 km am vergangenen Mittwoch zu koordinieren. Der als mutmaßlicher Haupttäter gleichzeitig in Erfurt festgenommene Sportmediziner sei vor der Razzia als Skitourist getarnt unter falschem Namen auch in Seefeld gewesen, dann aber wieder abgereist, sagte Csefan. Die Behandlungen während des Zugriffs habe laut dem Ermittler eine mutmaßliche Komplizin des Arztes durchgeführt. Es gebe außerdem Zeugenaussagen, dass der Vater des Arztes, ein Rechtsanwalt, ebenfalls Blutdopingbehandlungen an Athleten angewendet haben soll.
Csefan zeigte sich erstaunt, mit welcher Dreistigkeit nicht nur die mutmaßlichen Drahtzieher, sondern auch die unter Verdacht stehenden Sportler vorgegangen sind. "Das läuft schon seit Jahren, da gab es kein Unrechtsbewusstsein", sagte der Kriminalbeamte. Wie man aus den Vernehmungen wisse, bestehe der Kontakt von Hauke und Dominik Baldauf zu dem Arzt schon seit Jahren. Die Verwicklung von weiteren WM-Teilnehmern schließt Csefan zum jetzigen Zeitpunkt aus. "Wir können ausschließen, dass es weitere Athleten in Seefeld gegeben hat, die von dieser Organisation bedient worden sind." Das gelte nach derzeitigem Ermittlungsstand auch für österreichische Betreuer. "Nach unseren Beobachtungen waren keine Betreuer oder Funktionäre betroffen."
Geständnis und Selbstanzeige
Sehr wohl involviert sind neben den fünf festgenommenen Langläufern aber Georg Preidler und Stefan Denifl. Die beiden Radprofis und auch Denifls Lebensgefährtin werden vom BK als Beschuldigte geführt. "Wir haben Denifl am Freitag festgenommen und auch seine Lebensgefährtin vorgeführt zur Vernehmung, weil sie telefonisch in Kontakt mit dem Arzt gestanden ist. Sie hat auch Bescheid gewusst", sagte Csefan.
Denifl hat wie die fünf Langläufer in den Polizeiverhören ein Blutdopinggeständnis abgelegt. Preidler wandte sich am Wochenende mit einer Selbstanzeige an die Behörden. Dass seinem Beispiel weitere Sportler folgen könnten, hält der BK-Ermittler für nicht unwahrscheinlich, denn die zu erwartendende Zuordnung von rund 40 in Deutschland beschlagnahmten Blutbeutel sorge sicher für großen Druck. "Ich schließe nicht aus, dass noch weitere kommen. Weil sie mit einer Selbstanzeige verhindern, dass sei eingesperrt werden, die Verdunkelungsgefahr als Haftgrund fällt weg."
Keine "Verschwörungstheorie"
Bezüglich der in Deutschland beschlagnahmten Blutdoping-Zentrifuge samt der zahlreichen Blutbeutel mit Namenskürzeln sei man gespannt auf die Ermittlungsergebnisse der dortigen Kollegen. "Da müssen wir abwarten, bis wir neue Erkenntnis bekommen." Die Beschuldigtenvernehmung des Arztes und seiner mutmaßlichen Komplizen soll nächste Woche in München stattfinden. "Dann kriegen wir die Ergebnisse, danach richten sich auch unsere Ermittlungen." Bei der Aufklärung arbeite das BK auch mit der Nationalen Anti-Doping-Agentur und dem Österreichischen Ski-Verband zusammen.
Csefan wies die "Verschwörungstheorie" zurück, dass die Ermittler gezielt nach gewissen Nationen gefahndet hätten. "Wir wussten vor dem Einsatz nicht, welche Nationen betroffen sind. Wir wussten lediglich, dass der Arzt ein Hotelzimmer und ein Appartement angemietet hat."