Vor ihrer positiven Dopingprobe hat die russische Eiskunstläuferin Kamila Walijewa Medienberichten zufolge die Einnahme von zwei legalen Herzmitteln angemeldet. Dies nährt einer Einschätzung der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) zufolge Zweifel an der Darstellung von Walijewas Anwälten, die verbotene Substanz Trimetazidin sei versehentlich in den Körper der 15-Jährigen gelangt.
Wie die US-Nachrichtenagentur AP und die "New York Times" unter Berufung auf Unterlagen aus dem Eilverfahren bei den Winterspielen in Peking berichten, hat Walijewa die Nutzung von Hypoxen und L-Carnitin auf dem Anmeldeformular vor einer Dopingkontrolle angegeben.
Ein Hinweis, "dass etwas Ernsteres vorgeht"
Diese Substanzen in Verbindung mit Trimetazidin seien ein Hinweis darauf, "dass etwas Ernsteres vorgeht", sagte US-Dopingjäger Travis Tygart. Alle Mittel würden zur Leistungssteigerung eingesetzt. Das schwäche die Glaubwürdigkeit von Walijewas Verteidigungsstrategie, erklärte der Chef der US-Anti-Doping-Agentur.
In einer Dopingprobe der Europameisterin von Ende Dezember war Trimetazidin, das die Blutzufuhr zum Herzen durch Weitung der Blutgefäße fördert, nachgewiesen worden. Der Positiv-Test wurde aber erst während Olympia in China bekannt. Vom Internationalen Sportgerichtshof CAS erhielt Walijewa die Starterlaubnis für das Frauen-Einzel, das sie nach dem Kurzprogramm anführt.
Hypoxen und L-Carnitin sollen das Herz stärken. Ihre Einnahme ist unter bestimmten Bedingungen derzeit erlaubt. Walijewas Anwälte hatten in der CAS-Anhörung argumentiert, die Eiskunstläuferin könnte Trimetazidin unabsichtlich zu sich genommen haben, als sie ein Glas ihres Großvaters benutzte.
Kritik von allen Seiten
Der frühere US-Olympiastarter Adam Rippon bezeichnete die Starterlaubnis für Walijewa indes als einen "Schlag ins Gesicht für saubere Athleten". Die Situation sei sehr unglücklich. "Das hat es noch nie gegeben, dass jemand mit einem positiven Dopingtest bei einem Bewerb bei den Spielen antreten darf", sagte Rippon. Er hatte allerdings Mitgefühl mit der erst 15-Jährigen, die "traumatisiert" sein müsse. "Das ist Kindesmissbrauch. Sie nützen den Traum eines Kindes als Munition, um sie mit Drogen vollzustopfen", sagte Rippon, der 2018 für die USA im Team-Event Bronze geholt hatte.
Kritik hagelt es auch in Richtung von Eteri Tutberidse. Der Dopingskandal um ihr russisches Wunderkind hat die Stimmen gegen den gnadenlosen Drill und rücksichtslosen Verschleiß von Talenten der Trainerin verstärkt.
Tutberidse formt seit Jahren mit großer Härte Eiskunstlauf-Kinder zu Olympiasiegern, Welt- und Europameistern. Auch Walijewa, die am Donnerstag als Führende und Goldfavoritin in die olympische Kür geht. Ungeachtet der Kritik ist die 47-jährige Tutberidse mit dem "Verdienstorden für das Vaterland" und 2020 als "Trainerin des Jahres" vom Weltverband ISU ausgezeichnet worden.
Weltmeisterin Anna Schtscherbakowa findet nicht, dass ihre umstrittene Trainerin zu hart und unbarmherzig ist. "Ich bin in ihrer Gruppe, seit ich neun Jahre alt bin und habe nie den Trainer gewechselt", sagte die russische Zweitplatzierte des olympischen Kurzprogramms am Dienstag in Peking. "Das sagt mehr als viele Worte."