Die "olympische Familie" ist ein geflügeltes Wort und Synonym für Friede und Eintracht – doch in Österreich ist die Familie bestenfalls zerstritten und zerrüttet. Heute geht es in den nächsten Versuch, den neuen Vorstand zu wählen und den Präsidenten Karl Stoss in seinem Amt zu bestätigen. Offen ist aber, ob dieser Vorschlag diesmal Aussicht auf Erfolg hat. Denn auch, wenn die Hauptversammlung der 40 Sportverbände und der drei Dachverbände nicht um "High Noon", also Punkt 12 Uhr, startet, sondern eine Stunde davor: Man könnte sich schon eine Szenerie wie in den besten Western aus Hollywood vorstellen.
Zumindest wurden in den vergangenen Wochen zahlreiche Querschüsse abgegeben, ob diese tatsächlich das Ansehen der handelnden Personen so verletzt haben, dass man wieder zurück an den Start muss, ist (noch) offen.
Dabei ist die Liste, über die heute abgestimmt werden soll, schon die zweite. Die Verwerfungen fanden nämlich schon beim ersten Versuch einen Höhepunkt, als die Wahlkommission einen Vorschlag erarbeitete, der dem Präsidenten so gar nicht zu Gesicht stand. Daraufhin war die Wahlkommission aufgrund des Vorwurfes, vertrauliche Informationen an die Öffentlichkeit gebracht zu haben, im Nachhinein aufgelöst und die Liste damit als ungültig erklärt worden. Seither sind in der mittlerweile zur "Affäre" hochgeschaukelten Wahl des ÖOC-Vorstandes auch immer Juristen am Wort.
Klar ist nur, dass sich, wie durch so viele Bereiche des Lebens, auch durch die Mitgliedsverbände ein tiefer Graben zieht, der kaum zu schließen sein wird. Sogar eine anonyme Anzeige wurde zuletzt eingebracht, die die Gründung und Anlaufverluste der Crowdfunding-Plattform "I Believe in You" zum Thema haben. Offen ist nach wie vor, wer diese Anzeige in Auftrag gegeben hat.
Wie groß der Vertrauensverlust ist, zeigt die Tatsache, dass einige Verbände, initiiert vom Eiskunstlaufverbandspräsidenten Hans Spohn, eine Unterschriftenliste veröffentlichten, in dem sich bereits über 20 Verbände per Unterschrift deklarierten, nicht zu jenen Verbänden zu gehören, die einen Wiener Anwalt mit der Anzeige beauftragt hatten. Bisher ist nur der Schwimmverband fix Teil der Anzeige, denn dessen Vizepräsident nahm am Mittwoch das Recht wahr, Einblick in die Bücher des ÖOC zu erlangen.
Im Zuge der Streitigkeiten gibt es nun fast täglich neue Aspekte: So kamen zuletzt auch die Abläufe rund um "Altlasten" von Ex-ÖOC-General Heinz Jungwirth und dessen Anwesen an die Öffentlichkeit. Samt Vorwürfen und Erklärungen an die bzw. von der aktuellen Führung, was in dieser Causa passiert ist.
Faktum bleibt: Freundlich wird es heute nicht im Wiener "Courtyard Marriott". Dabei geht es nur um zwei Jahre Amtszeit, denn nach der Verlängerung der vorhergehenden Periode läuft die aktuelle nur bis 2026; und dann braucht es ohnehin einen neuen Präsidenten. Und – schon wieder – Neuwahlen. Dabei sind die Aktuellen noch lange nicht geschlagen. Die österreichische olympische Familie braucht eine Familienaufstellung.