Im ÖOC geht es rund. Am Mittwoch sollte an sich der neue Vorstand gewählt werden. Doch stattdessen soll in der heutigen Vorstandssitzung ein neuer Wahlausschuss gewählt werden, der einen neuen Wahlvorschlag ausarbeiten sollt. Richtig rund gehen wird es dann wohl am 3. Juli, wenn die einberufene außerordentliche Hauptversammlung in Wien über die Bühne geht. Was bleibt: Wie konnte es so weit kommen? Einige Fragen und Antworten.
1. Was geht da im Österreichischen Olympischen Comité (ÖOC) eigentlich vor?
Antwort: Der aktuelle Vorstand des ÖOC ist nun bereits seit sechs Jahren im Amt. Im Normalfall wird immer im Jahr nach Olympischen Sommerspielen gewählt, der Vorstand bleibt dann für eine Olympiade, also vier Jahre, im Amt. 2020 hatten die Sommerspiele in Tokio aber wegen Corona um ein Jahr verschoben werden müssen, im Jahr darauf folgten schon die Winterspiele in Peking. Also verlängerte der alte Vorstand sein Mandat gleich um eine halbe Funktionsperiode – im Jahr 2023 muss aber definitiv ein neuer Vorstand gewählt werden. Wobei sogar hier die Meinung auseinandergehen, ob die Funktionsperiode, die um März 2021 verlängert worden war, nicht schon abgelaufen sei oder ob die Verlängerung wirklich erst mit Ende des Jahres 2023 enden würde. Der neu zu wählende Vorstand ist aber nur bis 2025 im Amt, dann gibt es abermals Wahlen.
2. Warum gibt es den neuen Vorstand nicht schon?
Antwort: Die Vorgehensweise ist klar: Es wurde ein Wahlausschuss – der laut Statuten mit jeweils einem Vertreter aus den drei Dachverbänden Union, Askö und Asvö sowie Vertretern von vier weiteren Fachverbänden besetzt war – eingerichtet. Der machte sich die Arbeit nicht leicht, ließ alle Bewerber ein Motivationsschreiben samt Lebenslauf abliefern und erstellte auf Basis der Daten dann einen Vorschlag für einen neuen Vorstand und ein neues Präsidium. Der Haken: Dieser Vorschlag war nicht nach dem Geschmack des amtierenden Präsidenten Karl Stoss. Weil er öffentlich wurde, bevor ihn der alte Vorstand zu Gesicht bekam, sprach dieser dem Wahlausschuss unter dem Vorsitz von Peter McDonald (Union-Präsident) das Misstrauen aus. Heute will man einen weiteren Wahlausschuss bestimmen.
3. Was hat am ersten Vorschlag nicht gepasst?
Antwort: In erster Linie die Tatsache, dass sich die Kommission nicht mit dem amtierenden Präsidenten Karl Stoss abgestimmt hat. Der Vorarlberger wiederum ging nach 14 Jahren im Amt davon aus, dass er Mitspracherecht habe, mit wem er das Präsidium bilden soll. Doch wurden im ersten Vorschlag auch Personen im Vorstand bzw. im Präsidium platziert, mit denen Stoss definitiv nicht zusammenarbeiten wollte. Schließlich entzündete sich die Auswahl auch noch an konkreten Personen wie der amtierenden Vizepräsidentin Elisabeth Max-Theurer, die im Vorschlag der Kommission nicht beinhaltet war. Zudem wurden Gerüchte laut, wonach man auch der ÖSV-Präsidentin Roswitha Stadlober vonseiten des ÖOC nahegelegt habe, "nur" im Vorstand und nicht gleich als Vizepräsidentin zu fungieren.
4. Was haben die Athleten damit zu tun?
Antwort: Eines der wesentlichen Argumente von Stoss gegen den Vorschlag war der Umgang einiger Protagonisten mit der Athletenkommission. Diese beschwerte sich in Person ihres Vorsitzenden Matthias Guggenberger dann auch in einem Brief an den Vorstand über die Vorgehensweise und forderte einen neuen Vorschlag. Hintergrund: Einige Mitglieder des neuen Vorstandes hatten die Berechtigung von Guggenberger infrage gestellt, weil der Trainer des britischen Skeleton-Teams ist. Das Problem: Laut Statut kann jeder Athletenvertreter bzw. jede Athletenvertreterin, einmal gewählt, bis zu dreimal wiedergewählt werden. Unabhängig davon, ob und in welcher Form er oder sie noch als Sportlerin aktiv ist. Und: Weder der ÖOC-Präsident noch der ÖOC-Vorstand sind befugt, sich in die Wahl der Sportlerinnen und Sportler einzumischen. Und Stoss ergänzt: "Die Athleten durften in einem Brief auf den Vorschlag reagieren und ihre Sicht einbringen, aber auf diesen Brief wurde nicht einmal reagiert. Aber das Wohl der Athleten muss im Vordergrund stehen, ihre Meinung berücksichtigt werden", sagte er.
5. Was läuft im ÖOC eigentlich schief?
Antwort: Das ist die Ironie an der Sache: wenig. Unter der aktuellen Führung hat es das ÖOC geschafft, alte Zeiten und den Skandal um Veruntreuung unter Ex-Generalsekretär Heinz Jungwirth hinter sich zu lassen. Das ÖOC wurde neu aufgestellt und arbeitet seither effektiv. Noch nie wurden mehr Mittel aus Sponsoring lukriert, das ÖOC ist politisch unabhängig. Die Betreuung der Athleten funktioniert meist klaglos, die Mannschaften, die zu Olympia, European Games, Youth Games etc. entsendet werden, geben meist Bestnoten.
6. Was wird der aktuellen Führung denn dann vorgeworfen?
Antwort: Einige der Vertreter der Verbände, die ein "neues ÖOC" propagieren, werfen der aktuellen (administrativen) Spitze eine "Gutsherrenmentalität" vor. Sie bemängeln, dass Kritik unerwünscht sei und meist Konsequenzen nach sich ziehe – das heißt, dass kritische Verbände aus Olympiaförderprogrammen herausgenommen werden. Zugleich würden Ideen, die von außen kommen, abgekanzelt, heißt es. Die nachträgliche Absetzung der Wahlkommission war für eine Gruppe von Verbänden zu viel: Fünf Verbände (Turnen, Golf, Basketball, Schwimmen, Ringen) machten von ihrem Recht Gebrauch, eine außerordentliche Hauptversammlung einzuberufen.
7. Wie geht es denn nun weiter?
Antwort:Bei der heutigen Generalversammlung kann an sich nicht viel passieren. Interessant wird aber, wie eine neue Wahlkommission ausgesucht werden wird. Die braucht es, nachdem der alten das Misstrauen ausgesprochen wurde. Aber: Die drei Dachverbände kündigten an, nicht zur Verfügung zu stehen, obwohl sie verpflichtend Teil einer Kommission sind. Damit sind die Juristen am Wort: Es ist nirgendwo geregelt, wer die statutarisch vorgesehenen Mitglieder aus diesen Institutionen benennen darf bzw. welche Funktion sie überhaupt in den jeweiligen Verbänden innehaben müss(t)en. So oder so: Am 3. Juli wird es die a. o. Hauptversammlung geben. Dort wird wohl über den Vorschlag der Kommission abgestimmt, zumindest, wenn es nach dem Willen der einberufenden Verbände geht. An sich eine gute Lösung, wären dann doch die Kräfteverhältnisse im ÖOC geklärt.
8. Was passiert, wenn die Mitglieder des ÖOC sich für den ersten Vorschlag entscheiden?
Antwort: Dann kann man davon ausgehen, dass es auch einen neuen Präsidenten gibt. Denn Karl Stoss wird in diesem Fall kaum weiter im Amt bleiben. Ein Präsident müsste dann aber noch zu finden sein, bisher hat sich noch niemand aus der Deckung gewagt. So oder so: Das Generalsekretariat hat derzeit noch laufende Verträge. Und: Karl Stoss bliebe aufgrund seiner Mitgliedschaft (die nicht an die Funktion, sondern an seine Person geknüpft ist) im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) weiterhin im ÖOC-Vorstand.
9. Wie sieht die Änderung im ÖOC aus?
Antwort: Der Vorschlag der Wahlkommission beinhaltete einige Änderungen, einige davon auch erzwungen: Denn sechs der zwölf Mitglieder des aktuellen Vorstandes scheiden ohnehin aus, weil sie in ihren Verbänden innerhalb der vergangenen sechs Jahre ausgeschieden sind – die prominentesten: Leo Windtner, Peter Schröcksnadel und Peter Kleinmann. Dass der neue Vorstand laut Vorschlag der Kommission nun jünger ist, war für Stoss daher logisch: "Umgekehrt wäre ja auch schwer möglich, wenn man sich das Alter des jetzigen Vorstandes anschaut." Auch die erhöhte Frauenquote geht Stoss selbst noch nicht weit genug: "Warum nur eine erhöhte Quote? Es spricht doch nichts dagegen, das Präsidium gleich zumindest zu 50 Prozent mit Vertreterinnen der Verbände zu besetzen."
10. Worin liegt der Ursprung in der derzeitigen Unstimmigkeit?
Antwort: Die "Rebellen", wie die fünf Verbände bezeichnet werden, fühlen sich seit geraumer Zeit nicht wertgeschätzt. Ursprung waren Diskussionen über die Statuten des ÖOC im Jahr 2020, als man einige Änderungen forderte. Konkret geht es darum, dass das ÖOC nach außen laut Vereinsregister nicht mehr vom Präsidenten, sondern von der administrativen Spitze, bestehend aus Generalsekretär (Peter Mennel), Sport- (Christoph Sieber) bzw. Marketing-Direktor (Flo Gosch), vertreten wird. Weitere Kritikpunkte: das Fehlen der Möglichkeit geheimer Wahlen, die Vorgabe, dass ein Präsidiumsmitglied allein nicht befugt ist, einen Bericht vom Generalsekretär einzufordern. Man moniert, dass die Möglichkeiten des Präsidiums zur Aufsicht bzw. Kontrolle zu eingeschränkt seien. Zudem will man, dass einzelne Vorstandsmitglieder künftig aktiv mitarbeiten sollen und daher auch aufgrund ihrer Qualifikation in Teilbereichen gewählt werden. Das ÖOC wiederum stellt fest, dass die Statuten vor einem Jahrzehnt just deswegen geändert wurden, um Einmischungen einzelner Verbände verhindern und unabhängig arbeiten zu können. International werde das ÖOC für seine Statuten beneidet, meinte ein Insider dazu.
11. Hat ein Mitglied des ÖOC-Vorstandes "Macht"?
Antwort: Kaum. Man kann im Vorstand zwar die Geschicke des ÖOC mit beeinflussen, doch ist die Hauptaufgabe ja die Beschickung von olympischen Events, derer es auch abseits der Olympischen Spiele nun schon einige gibt. Auch Reisen zu den Spielen sind seit der Ära Stoss selbst zu bezahlen, die Tätigkeit ist ehrenamtlich. Man kann auch kaum "olympische" Mittel in einzelne Verbände umleiten – einziger Hebel wären Olympiaprojekte.
12. Wer steht nun auf welcher Seite?
Antwort: So ganz genau lässt sich das nicht mehr sagen. Klar abgrenzbar ist das Quintett der Verbände, das den Antrag auf eine Hauptversammlung eingebracht hat. Einige andere Verbände sympathisieren sicher, andere stehen derzeit zwischen den Fronten. Neu: Der Österreichische Skiverband, zunächst in Person von Präsidentin Roswitha Stadlober eher auf der Seite der "Rebellen", hat sich am Dienstag klar auf die Seite von Karl Stoss gestellt.