Mit der letzten Startnummer 89 bezwang William Flaherty die schwer zu befahrende Piste beim olympischen Riesentorlauf in Peking und landete schließlich auf dem respektablen 40. Platz. Eine großartige Leistung, die jedoch nicht mit dem zu vergleichen ist, was der erst 17-Jährige in seinem bisherigen Leben schon zu bezwingen hatte.
Mit nur drei Jahren entdeckte Flahertys Mutter einen gelben Punkt im Auge ihres Sohnes und wusste sofort, dass etwas nicht stimmte. "Ich hoffe, es ist nicht Krebs", sollte sie damals sagen. "Betet für Krebs", war die Antwort der Doktoren. William wurde mit einer seltenen Krankheit namens hämophagozytische Lymphohistiozytose diagnostiziert, bei der das Immunsystem die eigenen Organe angreift. Die Chance, zu überleben, betrug zehn Prozent.
Flaherty nutzte diese Chance - auch dank seines älteren Bruders Charles. Dank dessen Knochenmarkspende und zahlreichen Chemotherapien besiegte William die Krankheit und stand wenige Monate später erstmals auf Skiern. Um diese Zeit herum übersiedelte Flahertys Familie aus den USA nach Puerto Rico, wo sie bis heute lebt. "Ich kann mich nicht einmal mehr an die USA erinnern", meint William.
In Pyeongchang 2018 debütierte sein Bruder Charles bei den Olympischen Winterspielen, wurde als erster Wintersportler Puerto Ricos seit 20 Jahren 73. im Riesentorlauf. Möglich wurde dies durch Vater Dennis, der die Wintersport-Infrastruktur im karibischen Staat wiederaufgebaut hatte. Im selben Jahr verstarb dieser jedoch plötzlich. Doch für William wurde dort in Südkorea klar: "Ich will das selbst auch machen - bei Olympia starten."
Und Williams unbändiger Kampfgeist sorgte dafür, dass dieses Vorhaben Realität wurde, auch wenn er dafür als "verrückt" bezeichnet wurde. Im Trainingscamp auf dem Mount Hood in Oregon bereitete sich der 17-Jährige mit Privattrainerin Sara Radamus - Mutter vom RTL-Vierten River Radamus, eines von Flahertys größten Vorbildern - intensiv auf die Veranstaltung vor. Bei der Eröffnungszeremonie trat William schließlich als Fahnenträger Puerto Ricos in die Fußstapfen seines Bruders - seines Lebensretters. Und nach dem erfolgreich bestrittenen Rennen postete er auf Instagram: "Hey, Papa, hast du gesehen? Wir haben es geschafft."
Der Schnee unter den Füßen hilft ihm, zu vergessen, was ihn sonst belastet. "Skifahren ist Stressabbau", sagt Flaherty, dem im Sommer ein gutartiger Tumor unter dem Ohr entfernt werden musste. "William ging in die Hölle und wieder zurück - zweimal", sagt Mutter Ann. "Aber er ließ sich auch von der Hölle nicht aufhalten."