Österreich rühmt sich, eine große Skisprung-Nation zu sein - und das zu Recht. Aber: Wirft man einen Blick auf die Liste der bisherigen Olympiasieger, so haben die rot-weiß-roten "Adler" der Weitenjagd unter den fünf Ringen im Einzel noch nicht zwingend ihren Stempel aufdrücken können. Auf der Normalschanze wurde bisher 24 Mal, auf der Großschanze 15 Mal olympisches Gold vergeben - doch erst viermal schaffte es bisher ein Österreicher in den Skisprung-Olymp.
Auf dem kleinen Bakken gelang Toni Innauer 1980 in Lake Placid als erstem ÖSV-Adler der Sprung nach ganz oben, zwölf Jahre später durfte Ernst Vettori in Albertville jubeln. Auf der Großschanze war Karl Schnabl 1976 auf dem Bergisel nicht zu schlagen, sein Kärntner Landsmann Thomas Morgenstern krönte sich 2006 in Turin zum letzten österreichischen Skisprung-Olympiasieger.
Kraft auf Platz vier in der Qualifikation
Und 2022 in Peking? Nach Silber durch Manuel Fettner auf der Normalschanze ist definitiv ein positiver Ruck durch die Mannschaft von Andreas Widhölzl gegangen. Vor alle Stefan Kraft ("Ich kann vorne reinspringen") hat sich von Tag zu Tag gesteigert und landete in der Qualifikation für den heutigen Großschanzen-Bewerb (12 Uhr, ORF 1 live) auf dem vielversprechenden vierten Rang. Ebenfalls qualifiziert haben sich Fettner (11.), Daniel Huber (14.) und Jan Hörl (15.). Der Sieg ging an den Norweger Marius Lindvik.
Um sich zum Olympiasieger zu krönen, "muss am Tag X einfach alles passen", weiß Vettori, der sich gerne noch einmal an seinen Triumph in Frankreich zurückerinnert. "Für mich waren es bereits die dritten Spiele. Ich habe auch 1984 in Sarajevo und 1988 in Calgary zu den Favoriten gezählt - doch Olympia und ich haben einfach nicht zusammengepasst."
1992 in Albertville schlug dann aber die große Stunde des Tirolers: "Ich hatte mich speziell vorbereitet und auf das Skifliegen in Oberstdorf verzichtet. Wir hatten damals eine extrem starke Mannschaft und es war schon schwer genug, die interne Quali zu schaffen. Ich war damals extrem fokussiert, habe meine ganze Routine ausgespielt und durfte am Ende jubeln", erinnert sich der 57-Jährige, der damals vor Martin Höllwarth siegte, zurück.
Bald ein Weltcup in China?
Ob es leichter sei, auf der kleinen oder der großen Schanze zu gewinnen, ließe sich laut Vettori so nicht beantworten. "Auf der Kleinen haben die guten Abspringer einen Vorteil, doch liegt alles viel enger beieinander", sagt die Skisprung-Legende, die sich von der Anlage in Zhangjiakou begeistert zeigt: "Die ist mehr als gewaltig und soll auch später zum Trainieren genützt werden. Und vielleicht wird China ja irgendwann in den Weltcupkalender aufgenommen."
Bleibt noch die Frage, was sich Vettori vom heutigen Bewerb erwartet: "Grundsätzlich werden die üblichen Verdächtigen um Gold springen. Aber wir können auch aus österreichischer Sicht optimistisch sein - die Burschen haben in den Trainings und auch der Qualifikation starke Leistungen gezeigt."