Fünf Operationen nach ihrem Schien- und Wadenbeinbruch sowie weitere Verletzungen musste Mirjam Puchner verarbeiten, ehe die Salzburgerin Ende des vergangenen Jahres "wieder die Freude am Skisport" fand. Die führte sie auch zu jenen Platzierungen vor Olympia, dass die 29-Jährige überhaupt zu ihrem Debüt bei den Spielen in Peking kam. Doch kaum angekommen, begannen wieder die Zweifel: "Ich bin in den ersten Tagen mit dem speziellen Schnee in Yanqing gar nicht zurechtgekommen." Das galt auch noch beim Einfahren für den Super-G: "Da hat gar nichts gepasst, ich bekam einfach nicht das Gefühl für das Skifahren, welches ich brauche, um im Rennen schnell zu sein. Daher bin ich einfach frei Skifahren gegangen, um den Kopf frei zu kriegen."

Am Material gezweifelt hat Puchner "nie, daher war für mich auch klar, welches Ski ich für das Rennen nehme. Da ich von meinem Bruder Joachim wusste, hier sind die Schneeverhältnisse auf jeder Piste anders, entschlossen sich mein Servicemann und ich, jenes Modell zu wählen, das ich bei der Besichtigung anhatte". Obwohl sie von sich und dem Material überzeugt war, fehlte ihr vor dem Start etwas: "Ich habe immer gewartet, wann kommt endlich diese Extremnervosität vor dem ersten Olympiarennen. Doch sie kam nie und ich vertraute dann auf mein Können." Das ist ihr bestens gelungen: "Zum Glück hatte ich eine niedrige Nummer, da ich ein Typ bin, der nicht zu viele Infos braucht, weil die mich schon oft von meinen taktischen Überlegungen ablenken."

Als Puchner im Ziel abschwang, hatte sie "keine Ahnung, welche Zeit ich gefahren bin, da auf der Anzeigentafel mein Name in Chinesisch stand. Nachdem das geändert wurde, dachte ich – okay, vor Ester Ledecka, das ist schon nicht so schlecht". Dann begann das Warten: "Mit jeder Läuferin, die hinter mir blieb, begann es in meinem Kopf zu rattern. Ich begann zu hoffen und zu denken, was alles möglich ist." Als Silber feststand, brach sie nicht gleich in Jubel aus: "Ich bin ein sehr gefasster, ruhiger Typ. Erst später flossen die Tränen." Und es begann der Stress: "Zuerst musste ich zur Dopingkontrolle, dann saß ich mit meinem Servicemann auf ein Gläschen zusammen, ehe es weiter ins Quartier ging, wo es einen kleinen Empfang für mich gab.

An dem nahm Puchner nicht lange teil: "Ich suchte mein Zimmer auf,  zog mich zurück, um nach Hause telefonieren zu können. Diesen Kontakt brauchte ich einfach, ehe es weiter zur Therapie und dem Ausradeln ging." Für eines war die Silberne extrem dankbar: "Dass ich durch meinen Bruder Joachim hier familiären Anschluss hatte. Er ist eine Stütze für mich. Speziell in der Zeit nach meinen Verletzungen war er für mich da." Das bestätigte der ORF-Kamerafahrer, der im Ziel mitfieberte: "Ich bin ihr Bruder und zu jeder Zeit und in jeder Situation und jeder Beziehung für sie da. Ich freue mich riesig für die Mirjam. Noch nie in meinem Leben hatte ich so ein Gefühl wie heute, nicht einmal als ich selbst noch aktiv war. Im Moment ist es total verrückt im Kopf, mein Herz schlägt bis ganz hinauf."