Vierte Plätze bei Olympia, etwas Schlimmeres gibt es für Aktive nicht. Eine Medaille ist im selben Moment so nahe und doch so fern. Man kann sich deshalb denken, wie es in Lara Gut-Behrami während der letzten beiden Olympischen Spiele nach dem Super-G ausgesehen hat. In Sotschi fehlten ihr 2014 sieben Hundertstel auf Bronze, 2018 in Pyeongchang war es gar nur eine Hundertstel – beide Male wurde sie Vierte, beide Male war die Enttäuschung enorm. Nun hat sich in Yanqin für die Schwerizerin alles geändert. Mit einer genialen Fahrt im Mittelteil sicherte sie sich Gold im Super-G. Es ist die erste Goldmedaille für die eidgenössischen Damen in dieser Disziplin.
Für Gut-Behrami ist es die insgesamt dritte Medaille bei den Winterspielen. 2014 holte sie in Sotschi Bronze in der Abfahrt, vor wenigen Tagen heimste sie diese auch im Riesentorlauf ein. Dass sich die 30-Jährige von ihren schwierigen Jahren erholt hat, zeigte sie in Cortina d'Ampezzo 2021, wo sie Weltmeisterin im Super-G und Riesentorlauf wurde. Zudem verpasste sie im vergangenen Winter den Sieg des Gesamtweltcups nur sehr knapp.
Nachdem der Triumph festgestanden war, sprudelte es aus der Olympiasiegerin heraus: „Ich war im Ziel schon sehr nervös, vor allem nach meinen Erfahrungen in Sotschi und Pyeongchang, und ich war auch nicht so überzeugt von meiner Fahrt. Ich hatte das Gefühl, ich hätte noch etwas frecher fahren können. Es ist Olympia und da sollte man schon alles riskieren. Es ist noch zu früh, dass ich realisiere, dass ich Olympiasiegerin im Super-G bin. Langsam geht die Spannung weg, und ich bin voller Emotionen."
Die Schweizerin hatte es in den vergangenen Wochen auch nicht leicht: "Es ist wunderschön, dass es nach dem komplizierten Jahr und mit der Verletzung so geklappt hat. Ich denke, ich habe eine neue Lockerheit, und die Leute rund um mich herum helfen mir. Vielleicht war genau das wichtig, um Gold zu gewinnen. Ich bin auch reifer geworden und nehme Sachen an, die mir gesagt werden, mit 20 Jahren war das noch anders. Da hat man nicht alles akzeptiert oder daran geglaubt. In den letzten Jahren habe ich umgedacht. Ich habe schon viele Erfolge feiern dürfen, und was jetzt dazu kommt, ist eine Zugabe. Das gibt mir einfach eine andere Lockerheit. Es gibt im Leben auch andere Sachen als Skifahren. Ich würde sagen, ich habe mich als Mensch etwas beruhigt.“