Der Doping-Wirbel um Eiskunstlauf-Wunderkind Kamila Walijewa bei Olympia weitet sich immer mehr aus. Das Internationale Olympische Comité will nicht akzeptieren, dass eine vorläufige Sperre der 15-Jährigen durch Russlands Anti-Doping-Agentur aufgehoben wurde und sie so bei den Winterspielen Team-Gold erobern konnte. Die US-Anti-Doping-Agentur (USADA) könnte laut deren Chef Travis Tygard die russischen Verantwortlichen sogar klagen.
Das berichtete Reuters am Freitag. Basis der möglichen Klage ist offenbar der seit 2020 existierende Rodschenko-Act (RADA), der den US-Behörden Klagen mit Strafen bis zu 1 Mio. Dollar sowie Gefängnis von bis zu zehn Jahren ermöglicht. Und zwar auch für Nicht-Amerikaner, wenn deren Aktionen die Ergebnisse von US-Athleten beeinflussen. Der ehemalige russische Laborleiter Grigorij Rodschenko war einer von denen, der nach dem Sotschi-Skandal von 2014 mit seinen Enthüllungen das russische Staatsdoping öffentlich gemacht hatte.
Berufung in der Sache hat bereits die Internationale Testing-Agentur (ITA) im Auftrag des IOC eingelegt. "Wir wollen das so sehr beschleunigen wie möglich", sagte IOC-Sprecher Mark Adams am Freitag. Deshalb ist nun auch der Internationale Sportgerichtshof CAS am Zug. Nach Angaben der ITA war Walijewa am 25. Dezember 2021 bei den russischen Eiskunstlauf-Meisterschaften positiv auf das Herz- bzw. Angina-Mittel Trimetazidin getestet und von der RUSADA zunächst vorläufig suspendiert worden.
Suspendierung aufgehoben
Der Disziplinarausschuss der RUSADA hob am 9. Februar nach Einspruch von Walijewa die Suspendierung aber wieder auf und machte damit den Weg für einen Olympiastart frei. Das IOC will nun vor dem Kurzprogramm im Damen-Einzel in Peking am 15. Februar eine Klärung vor dem CAS herbeiführen. Russische Athleten treten nach dem Mega-Dopingskandal 2014 nun in China erneut lediglich als "Neutrale" an.
Empört zeigte sich auch Katarina Witt. "Wenn überhaupt, gehören die verantwortlichen Erwachsenen für immer für den Sport gesperrt", nahm der ehemalige DDR-Eiskunstlaufstar auf Facebook die junge Athletin in Schutz. "Das, was sie ihr vielleicht zugemutet haben, ist an Unmenschlichkeit nicht zu überbieten und lässt mein Sportlerherz weinen", so Witt.
Begonnen hatte der Wirbel, als die Olympiamacher die eigentlich für Dienstag geplante Medaillen-Zeremonie für den Team-Wettbewerb ohne Angabe weiterer Gründe absagten. "Diese Fälle sind für die Spiele nicht hilfreich", gab IOC-Sprecher Adams zu. Er warnte aber vor "wilden Spekulationen" in der Sache, zumal Walijewa minderjährig sei. "Juristische Fälle können sehr schwierig sein, aber es ist sehr wichtig, dass die Leute volle Gerechtigkeit bekommen", betonte Adams.
Unter Beobachtung
Russlands Sportler stehen auch in Peking besonders unter Beobachtung. Das Land ist wegen des Skandals um staatlich organisiertes Doping und der Vertuschung von Sportbetrug wie schon bei den Sommerspielen in Tokio gesperrt. Die russischen Athletinnen und Athleten dürfen nur als Vertretung des Russischen Olympischen Komitees (ROC) antreten. Bei Siegerehrungen darf die russische Hymne nicht gespielt und die Flagge nicht gehisst werden.
Das Supertalent Walijewa ist eines der prominentesten Gesichter unter den russischen Athleten bei den Winterspielen. Erst in dieser Saison gab sie ihr Debüt bei den Erwachsenen, im Jänner holte sie den EM-Titel. Im olympischen Teambewerb hatte sie die Damen-Kür mit klarem Vorsprung gewonnen. Am Freitag trainierte sie erneut auf der Eisfläche des Capital Indoor Stadiums in Peking, um sich auf das olympische Damen-Einzel vorzubereiten.
Durch die Medienberichte über den Fall sah sich die ITA zu einer detaillierten Mitteilung gezwungen, obwohl Walijewa als Minderjährige unter dem Welt-Anti-Doping-Code als "geschützte Person" zu gelten habe. Da sie ihre positive Dopingprobe vor den Winterspielen abgegeben hatte, sei die Angelegenheit zunächst nicht in die Zuständigkeit der ITA und des IOC gefallen, hieß es.