Es war diese eine Behandlung, an diesem einen Tag, im Loft in Ferlach, die bei Vanessa Herzog eine Woche vor Abflug nach China ein wahrhaftiges Wunder bewirkte. "Zuvor war der Rücken sehr problematisch", verriet die Kärntnerin. Davor hatte sie nach ihrem Bandscheibenvorfall massive Schwierigkeiten, mit den Fingerspitzen beim Vorbeugen überhaupt bis zum Knie zu gelangen. "Diese Behandlung war der entscheidende Moment in Richtung schmerzfrei. Ich weiß nicht, was meine Physiotherapeutin Stefanie Wriessnik angestellt hat, aber plötzlich kam ich mit den Fingern bis auf den Boden." Geholfen hat eine Kombination aus craniosacraler Therapie, Faszientechniken und Mobilisation. "Ich war perplex, da die Besserung lange eher schleppend verlief", sagt die Wahl-Ferlacherin, die in Peking vor allem auf die eigene "Vergesslichkeit" hofft: "Ich hoffe, dass der Körper im Rennen sein Schmerzgedächtnis vergisst."
"Bin so glücklich, schmerzfrei zu sein"
Nicht vergessen will sie hingegen die Botschaft eines Familienmitglieds: "Erinnere dich daran, dass Olympia vor zwei Monaten so gut wie vorbei war. Jetzt spielst du mit dem Gedanken, um Medaillen mitlaufen zu können", sagt Herzog und ergänzt: "Ich bin so glücklich, schmerzfrei zu sein."
Das Ende der Geschichte von "Österreichs Sportlerin des Jahres 2019" gleicht tatsächlich einem Wunder. Vergangene Saison zog sich die "Eis-Queen" den ersten von zwei Bandscheibenvorfällen zu. Die gebürtige Innsbruckerin musste eine untypisch lange Ruhephase, gepaart mit zahlreichen Therapien, über sich ergehen lassen. Monatelang konnte sie sich nicht einmal alleine anziehen: "Es war hart. Ich habe gekämpft, wie noch nie zuvor." Anfang November des Vorjahres präsentierte sich die Weltmeisterin von 2019 trotzdem stärker den je – bis sie erneut vom Rücken gestoppt wurde.
"Die Schmerzen waren kaum auszuhalten"
Der langgeplante Karriere-Höhepunkt Olympia war damals in weite Ferne gerückt. "Es war schwierig. Doch mein Mann Tom hat mich immer beruhigt, mir Halt gegeben. Manchmal konnte ich kaum gehen, die Schmerzen waren kaum auszuhalten. Aber die größte Herausforderung war es, mit der schieren Verzweiflung umzugehen", erzählt die 26-Jährige. "Ich hatte den Countdown zu Olympia täglich vor Augen, das war mental sehr belastend – ich wollte mehr machen, durfte aber nicht."
In China überraschte sie ihren Mann und Trainer aufs Neue. "Wenn sie sonst schnell läuft, fliegt sie quasi, geht alles von ihr weg und der Körper ist offen. In China fährt sie unglaublich kompakt. Wenn ich sie sehe, denke ich mir zwar, dass es spritziger sein könnte, doch die Rundenzeiten stimmen", sagt er. Auf die bevorstehende "Nachtschicht" – Start ist in Peking um 22 Uhr Ortszeit – ist das Erfolgsduo optimal vorbereitet. "Tom hat den Tag in zwei Teile getaktet. Ich musste den Körper daran gewöhnen, zu ungewöhnlicher Uhrzeit Leistung zu bringen. Aber ich fühle mich sehr wohl", verdeutlicht sie. Was nicht schaden kann: Das Eis in Peking, in das sich Herzog fast ein wenig verliebt hat: "Es ist komplett glatt, wie ein Spiegel, hat viel Grip. Große und schwere Athleten können voll abdrücken. Es taugt mir."
Die "Herzog-Crew", bestehend aus Vanessa, Ehemann Tom, Physiotherapeutin und Sportwissenschaftlerin Stefanie Wriessnik sowie Neuroathletiktrainerin Sylvia Reisenthaler, will am Sonntag zum großen Schlag ausholen – vor vier Jahren war Herzog als undankbare Vierte knapp an einer Medaille vorbeigeschrammt. Was möglich ist? "Vom Podium bis zu Platz zehn ist alles drin."