Im Zeitalter der Aufklärung sind sie vorerst noch nicht angekommen, diese Olympischen Spiele. Das Thema Doping ist in Peking jedenfalls offenbar ein so heißes Eisen, dass sich die Verantwortlichen davor hüten, es allzu grob anzufassen. Der Fall des russischen Eiskunstlauf-Wunderkinds Kamila Walijewa wirft allerdings schon einen größeren Schatten auf die Winterspiele 2022.
Denn weil die Betroffene noch nicht 16 ist, dürfte ihr Name eigentlich gar nicht aus dem Schatten treten. Die 15-Jährige hatte maßgeblichen Anteil am Olympiasieg des russischen Teams und soll laut übereinstimmenden Berichten russischer Medien positiv auf die verbotene Substanz Trimetazidin getestet worden sein. Das Mittel wird zur Behandlung von Angina pectoris, einer Vorstufe zum Herzinfarkt, eingesetzt.
Die offiziellen Gremien hüllen sich bisher in Schweigen. Vom IOC gab es bisher keine Stellungnahme, dabei kam der Fall ins Rollen, weil die Siegerehrung des Teambewerbs kurzfristig ohne konkrete Angabe von Gründen abgesagt wurde. Es sei eine offene Rechtsfrage zu klären. Für die Durchführung der Tests zuständig ist in Peking die an sich unabhängige Internationale Test-Agentur (ITA), die vor allem deshalb installiert worden war, um die Möglichkeit der Vertuschung, Vertauschung und Manipulation von Doping-Proben zu reduzieren bzw. zu verhindern.
Positive Fälle gelten als unwahrscheinlich
Positive Tests bei Großveranstaltungen gelten bei den nationalen Anti-Doping-Agenturen bzw. der Welt-Anti-Doping-Agentur angesichts der Professionalität der potenziellen Sportbetrüger als eher unwahrscheinlich. Viel mehr wird seit geraumer Zeit auf die vergleichende Analyse gesetzt, das heißt, dass bei den AthletInnen etwa auffällige Blutwerte mit solchen aus der Vergangenheit verglichen werden.
Nun wäre neuerlich das wegen organisierten Staatsdopings bei den Winterspielen 2014 in Sotschi wie schon bei den Sommerspielen in Tokio ohnehin nur auf Bewährung zugelassene russische Team betroffen. Olympische Topathleten aus anderen Nationen fallen überdies derzeit so gut wie gar nicht auf. Es scheint, als wäre – abgesehen vom Fall des bereits suspendierten iranischen Skirennläufers Hossein Saveh Shemshaki – außerhalb des russischen Einflussbereichs alles sauber.
Aber auch im jüngsten, russischen Fall blockt das Internationale Olympische Comité bisher alles ab. Das Interesse an einem weiteren Dopingskandal, der breite öffentliche Aufmerksamkeit erregt, ist naturgemäß gering ausgeprägt. Das IOC kann es sich nicht leisten, neuerlich mit einer Affäre in ähnlichem Ausmaß konfrontiert zu werden. Allerdings ist davon auszugehen, dass es sich, wenn die Geheimhaltung nicht mehr aufrechtzuerhalten ist, wohl um einen bedauerlichen Einzelfall handeln wird.
Zudem soll die Dopingprobe bei Walijewa schon im Dezember gezogen worden sein. Stellt sich dann nur die Frage, warum sie bei den Spielen dabei ist.