Man stelle sich tatsächlich vor, er hätte sich nach der Sinnfrage dazu entschieden, seine Karriere zu beenden. Weit war Wolfgang Kindl von diesem Schritt nicht entfernt. Nachdem der Tiroler zwei, drei Jahre lang mit dem Speed zu kämpfen hatte, kam er ins Grübeln. „Da habe ich eine Zeit lang die volle Breitseite abbekommen und mit dem Gedanken gespielt, aufzuhören. Wenn es heuer nicht so gut geklappt hätte, wäre es wohl meine letzte Saison gewesen. Vielleicht wollte ich es früher erzwingen, da mein Anspruch an mich selbst sehr hoch ist. Aber vielleicht haben mich dies Erfahrungen auch stark gemacht.“ Haben sie. Und das hat sich absolut rentiert – und wie. Lediglich Gesamtweltcupsieger Johannes Ludwig aus Deutschland musste Kindl in der Olympiabahn im National Sliding Center Yanqing den Vortritt lassen. Um ganze 0,160 Sekunden nach vier Läufen.

Kindl hatte mit den Spielen noch eine Rechnung offen – bisher kam er nie über Rang neun hinaus. „Es wurde Zeit für eine Medaille“, schmunzelt der amtierende Europameister, der das Warten auf die Dopingkontrolle nützte, um seine Frau Elena anzurufen. Die musste zuletzt einiges mitmachen. Aus Sicherheitsgründen isolierte sich der Doppelweltmeister von 2017 vor den Spielen, Entbehrungen inbegriffen. „Ich habe mich in einer Ferienwohnung ‘eingesperrt’. Heim ging es nur, um die Wäsche abzugeben. Es war mühselig, doch ich bin belohnt worden. Daher: einfach ein Danke. Cool, dass daheim ein Public Viewing veranstaltet wurde und alle mitgefiebert haben“, sagt Kindl, der verriet, dass seine „Eli“ Trauzeugin von Eisschnelllauf-Ass Vanessa Herzog war. „Die beiden haben zusammen maturiert und sind sehr gut befreundet, deshalb zieht es uns hin und wieder nach Kärnten. Dann wird im Olympiazentrum Klagenfurt geschuftet, denn auch im Sommer können wir uns nie nur der Erholung widmen“, erzählt der Naturliebhaber, der immer alles für den Erfolg investiert.

"Es war ein hartes Stück Arbeit"

Die Silbermedaille ist dem 33-jährigen „Kufen-Artist“ auch deswegen hoch anzurechnen, weil er aufgrund seiner Körpergröße von 1,66 Meter schlechtere Voraussetzungen hat. Doch das Natterer Kraftpaket, ein laut Eigendefinition „brutaler Ehrgeizler“, der immer und alles gewinnen will, bewies, dass er es drauf hat. Ein Ende seiner Karriere ist damit wohl nicht mehr in Sicht. „Ich muss nachdenken. Aber ich denke, dass es weitergeht. Es war ein hartes Stück Arbeit und hart erkämpft. Eine Olympiamedaille hat mir noch gefehlt und genau zum richtigen Zeitpunkt ist es voll aufgegangen, ein Traum.“

Nichts mit der Entscheidung zu tun hatten diesmal die fehlerhaften Gleirscher-Brüder: Pyeongchang-Olympiasieger David musste sich mit Platz 15 zufriedengeben, Nico beendete seine Olympiapremiere als Zwölfter. Die 23. Medaille bei Olympia für Österreichs Kunstbahnrodler war perfekt.