Mikaela Shiffrin kennt den Erfolg von allen Facetten. Sie hat schon zwei Olympia-Goldene erobert, eine 2014, eine 2018. Und doch weiß sie: „Speziell in den USA läuft es darauf hinaus, dass deine ganze Karriere auf eine Sache reduziert wird: den Erfolg bzw. Misserfolg bei deinen letzten Olympischen Spielen“, sagte die 26-Jährige vor ihrem Start in die Spiele von Peking. „Es scheint, als ob dein einziger Job dieser eine Event ist. Und alle anderen Erfolge sind nichts mehr wert.“ Dabei, ergänzt sie, sei es gänzlich ausgeschlossen, „drei perfekte Wochen zu haben. Du kannst dir nur ein Best-Case-Szenario zurechtlegen und versuchen, möglichst nah an dieses heranzukommen.“

Auch sie spürt den Druck der Öffentlichkeit rund um diesen Zeitraum alle vier Jahre; wie einige vor ihr, wie Simone Biles. „Und manche, die dann öffentlich angeprangert wurden, haben vor mir über diesen Druck gesprochen. Darüber, wie es sich anfühlt, ein Land, eine Nation enttäuscht zu haben. Leute, die du noch nie getroffen hast und nie treffen wirst.“ Das ist die eine Seite. Die andere, und auch daraus macht Shiffrin kein Geheimnis: „Es ist so aufregend, hier bei Olympia Gold zu gewinnen. Oder auch nur andere zu sehen, die Gold gewinnen.“

Shiffrin könnte bei diesen Spielen zur „Vielfahrerin“ werden, nicht einmal ein Start in der Abfahrt ist kategorisch ausgeschlossen. Als erste Aufgabe steht in der Nacht auf Montag (3.15/6.45 Uhr) aber der Riesentorlauf auf dem Programm – jene Disziplin, in der sie vor vier Jahren triumphierte.

Die steilsten Hänge

„Hier gibt es die steilsten Hänge, die ich je gesehen habe“, erzählt sie. Und philosophiert nahezu über den (Kunst-) Schnee, dessen Konsistenz und die Veränderung. „Klar ist, worum es hier gehen wird: Vollgas zu geben und dabei die volle Präzision zu behalten. Aber gelingt einem das, gewinnt man wohl immer.“ In Yanqing käme aber noch das Element „Wind“ hinzu, das man so gar nicht einschätzen könne: „Es gilt aber, dich auf die Dinge zu konzentrieren, die du kontrollieren kannst. Das sind bei Olympia ohnehin recht wenige. Es gibt ein paar Dinge in den Bergen, gegen die man machtlos ist. Und hier ist ein Element des Erfolges, die Daumen gedrückt zu halten, dass der Wind dich nicht negativ beeinflusst. Und selbst wenn, sich davon nicht zu sehr enttäuschen zu lassen.“

Sie fühle sich bereit, sagt Shiffrin. Nach einer Saison mit Hindernissen, wie den Rückenproblemen nach dem Auftakt, der schlechtesten Woche der Karriere in Levi, wo sie wegen des Jetlags in der Woche nur zehn Stunden Schlaf fand. Oder Corona. „Ich fühlte mich, als ob jemand meinen Kopf immer dann gegen die Wand schlägt, wenn es begann zu laufen“, sagte sie. Bei Olympia soll das anders sein. Shiffrin fühlt sich wohl in China – und sie weiß, wie man dem Druck einer Nation standhalten und liefern kann.